Best Service Ethno World 5 Testbericht
Instrumente und Gesänge aus aller Welt
Was ist es?
Die für Native Instruments Kontakt (Version 4 oder höher) erhältliche Sample Library Best Service Ethno World 5 stammt vom preisgekrönten Filmkomponisten Marcel Barsotti, der u.a. für die Musik in »Die Päpstin« oder »Deutschland. Ein Sommermärchen« verantwortlich zeichnet. 240 ethnische Instrumente und Stimmen im Gesamtumfang von über 20 GB (unkomprimiert) sind enthalten, darunter Streichinstrumente, Holz- und Blechblasinstrumente, Tasteninstrumente, Zimbeln, Glockenartiges, Gongs und Klangschalen, Zimbeln, Trommeln und Percussion. Die Instrumente sind zumindest für die meisten europäische Ohren teilweise äußerst exotisch.
Zu den Stimmaufnahmen zählt der gesamte Umfang der Samples, die schon in »Ethno World 4 Professional« zu finden sind, zusätzlich gibt es ein Update mit über 5.500 neuen Aufnahmen. Sologesänge aus Kamerun, Guinea, China, Iran, Türkei, Bulgarien, Ukraine, Nordafrika und Spanien sind zu hören. Dazu kommen Chöre, Obertongesänge und mehr. Durch das Zusammenspiel von Legato und diversen Artikulationen soll es nun möglich sein, realistische Gesangsstimmen einzuspielen.
Ein Faltungshall, Mikrotuning für die verschiedensten ethnischen Stimmungen und Tonskalen, konfigurierbares Legato, Harmonisierung, Humanisierung sowie die Effekte Kompressor, Saturator, Equalizer, Delay, Phaser, Chorus und Reverb sind integriert.
anzeige
Passend dazu
- Kaputt & außer Haus: So geht es deinem Instrument in der Werkstatt (+Video)
- Steinberg HALion 5 Testbericht: Sampler & Klangerzeuger stark erweitert
- Chris Hein Horns Pro Testbericht: Blasinstrumente aller Couleur
- Best Service Era Medieval Legends Testbericht: Von Mittelalter bis Barock
- sidsonic Tubes! Testbericht: Ach, wie röhrend!
Best Service Ethno World 5 Testbericht
Erster Eindruck
Das 47 Seiten starke Handbuch präsentiert Beschreibungen und Bildern der Instrumente (auch die Instrumentalistinnen und Instrumentalisten werden vorgestellt) sowie kurzen Texten plus Fotos der Sängerinnen und Sänger. Sehr schön. Natürlich werden auch die Bedienelemente auf der Oberfläche des Kontakt-Instruments erklärt.
Die Installation besteht einfach aus dem Kopieren der auf den zwei DVDs enthaltenen Verzeichnisse auf die Festplatte, Speicherorte für Kontakt-Libraries sind ja frei wählbar. Schnell noch die Seriennummern auf den Rückseiten der papiernen DVD-Hüllen in das Native Instruments Service Center eingetragen und los geht’s.
Instrumente
In Ethno World 5 werden alle Register gezogen, wen es um Artikulationen, Klaviaturregionen für verschiedene, mehr oder weniger miteinander verwandte Samples und die Umsetzung der Anschlaghärte innerhalb eines Presets geht. Im Folgenden möchte ich einige Beispiele dieser Performance-Optionen erklingen lassen, um im gleichen Atemzug einen Eindruck von der klanglichen Vielfalt dieses Produkts zu vermitteln.
Oft werden sogenannte Keyboard Splits eingesetzt, bei denen in den tiefen Lagen Sampletyp A und auf den Tasten für die höheren Töne Sampletyp B gespielt wird; manchmal gibt es hier sogar drei dieser Spielregionen, welche jeweils relativ kleine Tonhöhenumfänge abdecken. Bei einer Variante des Glockenspiels gibt es etwa zwei Zonen für quirlige Phrasen in zwei Variationen und eine für Einzeltöne:
Auf die Spitze getrieben wird das bei einer der zahlreichen Kalimbas. Das normale Spiel wird mit dem für Daumenklaviere charakteristische Quietschen und Knarzen vermischt, außerdem kommen noch kleine Klopfer auf den Korpus für die rhythmische Unterfütterung dazu, bis das Ganze schließlich in einem ekstatischen Geraschel und Geklimper kulminiert. Wunderbar! Einfach mal lauschen:
Am Beispiel des »Big Feng Gong« zeigt sich eine weitere Art der Tastennutzung. Hier steht nämlich jede einzelne Taste für eine andere Spielweise dieses mächtigen Gongs, wobei die Tonhöhe quasi gleichbleibt, nur die Klangfarbe und die Perkussivität wird geändert:
Zuweilen wird ein Tastenbereich zum Umschalten zwischen verschiedenen Artikulationstypen eines Instruments genutzt. Einige Instrumente wurden in sage und schreibe zwölf verschiedenen Artikulationsformen aufgenommen. Von normal über zwei Vibratovarianten, Espressivo, zwei kurze Artikulationen und Staccato bis hin zum Triller und mit Lick 1-4 zu vier kurzen Phrasen, die die sonst gehaltene Tonhöhe aufbrechen und mit kleinen Phrasen Bewegung in die Sache bringen. Hier am Beispiel der Dilruba zu hören:
Schließlich gibt es noch ganze Sequenzen, die in einzelne Klangereignisse zerschnitten vorliegen und so als Loop synchronisiert mit dem Tempo deines Hosts durchlaufen können. Sehr schön, um für ein Stück fertige Grundgerüste aufzustellen oder sich von den Rhythmen inspirieren zu lassen. Es gibt sogar ganze Construction Kits, bei denen die Keyboard-Zonen gleich mit den Sequenzen einer kompletten Kapelle gefüllt sind.
Soweit die Keyboard-Zonen, aber auch die Anschlaghärte wird als Quelle für Variationen eines Instruments genutzt. Beispielsweise beim »Dream Catcher«. Hier triggern sanfte Anschläge hell funkelnde, harte Anschläge hingegen bauchig-dumpfe Klänge desselben Instruments:
Wie Du siehst, gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten zum Bespielen deiner MIDI-Klaviatur. Es gilt, Einiges zu entdecken und sich erst einmal mit den Gegebenheiten vertraut zu machen, sofern Du nur mit dem Kontakt Player operierst und an gewissen Voreinstellungen nicht rütteln kannst – in der Vollversion von Kontakt bieten sich ja immense Möglichkeiten zur Konfiguration, die hier nicht Thema sein sollen.
Was bleibt noch zu sagen? Alle Instrumente sind in einer hervorragenden Klangqualität aufgenommen worden. Es gibt keine künstliche Beschönigungen bei den Bässen oder Mitten. Viele der Licks und Sequenzen sind phantasievoll, virtuos gespielt und nicht zu lang.
Wenn es aus meiner Sicht überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann die Uneinheitlichkeit der Library. Es gibt große Unterschiede in der Aufbereitung der einzelnen Instrumente – mal spannen die spielbaren Töne über mehrere Oktaven, mal nur über eine, mal gibt es ganze sechs Ausführungen eines Instruments (mit unterschiedlichen Features wie oben beschrieben), mal nur eine. Eine »Fairness«, nach der allen Instrumenten die gleiche Aufmerksamkeit zuteilwird, ist hier nicht gegeben.
Solostimmen und Chöre
Gleich in die Materie. Fangen wir bei den kamerunischen Stimmen an. Hier habe ich gerade mal sechs verschiedene Phrasen aneinandergereiht und teilweise überlagert. Das gesamte Repertoire umfasst hier rund 150 Phrasen!
Das Timestretching produziert etwa ab Geschwindigkeitsänderungen von 20% naturgemäß deutliche Artefakte, also ist es empfehlenswert, sich relativ streng nach den BPM-Werten zu richten, die in den Namen der Presets stehen; manchmal gibt es auch innerhalb eines Presets Gesangsphrasen mit mehreren Geschwindigkeiten, dementsprechend finden sich dann drei Zahlenwerte in den Titeln.
Auch Klagendes wie diese iranischen Gesänge sind dabei. Hier sieht man, dass manche Phrasen auch nach Tonart sortiert sind, was erneut mit einem entsprechenden Suffix gekennzeichnet wird.
Mit dem mongolischen Obertongesang möchte ich diesen winzigen Ausschnitt aus dem Klangkatalog von Best Service Ethno World 5 beschließen. Bitteschön:
Mischparameter und Effekte
Unter »Quick Edit« gibt es die wichtigsten, grundlegenden Stellschrauben für den Klang versammelt: Lautstärke, Panning, Tuning, Attack und Release, Anschlagsempfindlichkeit und dergleichen. Sehr schön, dass hier die elementaren Dinge an einem Fleck versammelt sind.
Rechts noch die Abteilung für den Faltungshall, der es in sich hat: Es gibt 11 Hallen, 6 charakteristische Orte (Kirche, Arena, Kaverne etc.), 10x Ambience, 10 Kammern, 12 Räume und 6 Plattenhalleffekte. Die Implementierung der Faltungshalltechnologie mit ihren akustischen Fingerabdrücken echter Räume ist hier nur folgerichtig, um den Realismus der komplett unsynthetischen Klänge der Instrumentenaufnahmen zu unterstützten. Die drei Kontrollen für das Pre-Delay, die Raumgröße und den Wet-Level sind in diesem Kontext vollkommen ausreichend.
In meinen Ohren wären die Effekte gar nicht nötig gewesen – umso erfreulicher, dass diese mit Kompressor, Saturator, Equalizer, Delay, Phaser, Chorus und Reverb dann doch so zahlreich vertreten sind. Wie irgendwie immer bei integrierten Effekten: nicht überragend, aber sehr wohl brauchbar. Einschub: Zu loben ist, dass, soweit ich das überblicken kann, bei allen Presets die Effekte ausgeschaltet sind und lediglich Einstellungen für den Faltungshall gesetzt wurden. Zu oft habe ich bei Libraries schon schmerzlich das Gegenteil erfahren müssen.
Unter »Group Edit« kannst Du bei Bedarf für jede Keygroup, also jede einzelne Variante bzw. Artikulationsform innerhalb eines Presets die ADSR-Lautstärkehüllkurve regeln. Dabei finde ich sehr bemerkenswert, dass Du den Einfluss der Anschlaghärte auf das Attack regeln kannst – das erlaubt ein wesentlich dynamischeres Spiel, als wenn die Velocity nur auf Lautstärke oder Filter-Cutoff umgemünzt würde. Auch für die oben erwähnten Hoch- und Tiefpassfilter gibt es hier ADSR-Kontrollen und schließlich finden sich noch separate LFOs für Lautstärke, Tonhöhe, Hochpass und Tiefpass.
Mikrotuning und Performance-Optionen
Für das Mikrotuning, also die exakt festlegbare Verstimmung in Hundertstelhalbtonschritten jedes Tons einer chromatischen Oktave. Gut, um mit leicht schrägen Tönen etwas mehr Lebendigkeit zu erzeugen. Saiteninstrumente sind ja gerne mal etwas schief gewickelt. Bei stärkeren Verstimmungen sind auch orientalisch anmutende Skalen bequem spielbar, eine Handvoll Voreinstellungen stehen hier übrigens zur Verfügung.
Das Legato ist mit Kontrollen für die den Sample-Startpunkt, die Überblendzeit und die Dauer des Glide-Effekts (hierfür benötigst Du ein Sustain-Pedal, das den MIDI-CC Numero 64 ansteuert) überdurchschnittlich umfangreich ausgestaltet. Das ist nur zu begrüßen, schließlich ist das eine bedeutende Komponente für Reproduktion einer annähernd natürlichen Spielweise.
Dank Humanizing kannst Du die Tonhöhen jedes einzelnen Anschlags zufällig verstimmen lassen (der Maximalwert ist einstellbar), auch ein rudimentärer EQ kann dabei zufällig appliziert werden, um die Klangfarbe jeder MIDI-Note mehr oder weniger subtil zu variieren. Dazu kommt noch ein Harmonizer und fertig sind die Performance-Optionen. Nice.
Unterstütze unsere Arbeit mit einem Kauf bei Thomann*
* Affiliate Link: Du bezahlst den normalen Preis und wir erhalten eine Provision, wenn Du etwas kaufst. Danke!
Fazit zum Best Service Ethno World 5 Test
Ich bin ein bisschen verliebt in Best Service Ethno World 5. Es gibt wohl keine derart umfangreiche, spielfreudige Klangbibliothek von Instrumenten und Stimmen aus aller Welt. So viel zu entdecken: Klangschalen und Gongs, Trommeln in allen Variationen, Saiteninstrumente und so weiter und so fort. Bei einem Katalog von 240 Instrumenten gibt es mehr als genug Auswahl für die Vertonung. Auch die Vocal-Sammlung ist vielfältig.
Vom Variationsreichtum innerhalb einzelner Presets bin ich positiv überrascht. So sind entweder bestimmte Keyboard-Zonen oder Anschlaghärten für verschiedene Spielweisen bzw. Artikulationen reserviert, was mich besonders bei einigen Streichinstrumenten beeindruckt hat. Vereinzelt gibt es gleich zwei oder mehr Instrumente in einem Preset, die meines Erachtens auch gut zueinander passen. Das lädt zum Experimentieren ein.
Die vielen, vielen Schnipsel mit Licks und Phrasen zeugen von der Spiel- oder Sangesfreude der Musiker, freilich auch von ihrer Kunstfertigkeit. Vor allem aber ist Folgendes hervorzuheben: Die mit dem Tempo deines Hosts synchronisierbaren Loops sind dank der Slices so beschaffen, dass die Veränderung der Geschwindigkeit nur die Stille zwischen einzelnen Tönen skaliert.
Zu guter Letzt noch ein Pluspunkt für die vielen Möglichkeiten zur Umgestaltung des Klangs. Unter den Effekten sticht besonders der Faltungshall mit seinem für alle Situationen geeigneten Verzeichnis von Impulsantworten hervor. Auch die Humanizing- und Legato-Funktionen sind für ein ausdrucksstarkes Spiel willkommen.
Mindestens ein Haar in der Suppe ist immer zu finden. So empfinde ich es als etwas verwirrend, wie uneinheitlich die Ausstattung der Presets ausgefallen ist, nicht zuletzt vom Umfang des jeweilig zugrundeliegenden Sample-Materials her gesehen.
Doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn meinen Best Service Ethno World 5 Testbericht möchte ich mit der Höchstwertung beschließen – dieses reichhaltige Kompendium hat sich in meinen Ohren fünf von fünf Punkten verdient. Der Straßenpreis von 439,- Euro geht dafür vollkommen in Ordnung.
Best Service Ethno World 5 Features
- Sample Library für Kontakt
- 240 exotische Instrumente
- Stimmen aus aller Welt
- 20 GB Samples
- Humanizer, Harmonizer, Legato
- Diverse Effekte, darunter Faltungshall