Lead-Sound erstellen am Synthesizer
Lead-Sound am Synthesizer erstellen – Inhalt
Lead-Sound erstellen: Synthesizer verstehen & bedienen
Wir konzentrieren uns auf die essentiellen Einstellmöglichkeiten eines typischen subtraktiven Synthesizers – so kannst Du sie mit jedem guten Synthesizer nachvollziehen. Wir zeigen die Grundlagen mithilfe eines Nord Lead 4, Du kannst die einzelnen Schritte aber mit jedem anderen Synthesizer ebenso nachstellen.
Unser Ziel lautet, einen fetten Lead-Sound zu erstellen, der sich gut für elektronische Musik wie beispielsweise EDM eignet. Wir greifen hierbei auf Oszillatoren, LFOs, Filter und Hüllkurven zurück. Schließlich garnieren wir den Lead-Sound mit einigen Effekten.
Und so klingt der fertige Lead-Sound:
Lead-Sound erstellen mit dem Nord Lead 4
Was ist subtraktive Synthese?
Die subtraktive Synthese wird zur Klangerzeugung in Synthesizern verwendet. Der Sound eines oder mehrerer Oszillatoren wird mithilfe von Hüllkurven und Filter subtraktiv verändert – dem Grundsound werden Anteile weggenommen, also subtrahiert.
Mehr dazu: Syntheseformen & Klangsynthese »
1. Synthesizer-Start: Einstellungen auf Null setzen
Dafür ist eine sogenannte Initialisierung der vier unabhängigen Synthese-Sektionen (beim Nord Lead 4 »Slots« genannt) nötig:
- In der Sektion PROGRAM: Slot A anwählen
- In der Sektion OSC 1: Shift-Taster + Wellenform-Wahltaster (»SOUND INIT«) drücken
Wiederhole diesen Vorgang für die Slots B, C und D. Als Nächstes stellst Du drei der vier Slots stumm – wir brauchen nur einen Slot für unseren Sound. Das geht so:
- PROGRAM: Slot B anwählen
- OUTPUT: LEVEL-Regler auf 0.0 drehen
Wiederhole diesen Vorgang für die Slots C und D.
Aktiviere danach wieder Slot A, denn diesen wollen wir bearbeiten
2. Oszillatoren – Klangerzeugung beim Synthesizer
Die Oszillatoren erzeugen den Ton, sie sind für den letztendlichen Klangcharakter verantwortlich. Filter, LFOs und Hüllkurven verändern den von den Oszillatoren erzeugten Ton lediglich im Nachhinein etwas.
Beim Nord Lead 4 gibt es pro Slot zwei Oszillatoren (OSC 1 / OSC 2). Diese lassen sich separat einstellen und vermischen.
Wellenform
Die vom Oszillator erzeugte Wellenform bestimmt den Klangcharakter. Bei Synthesizern findest Du häufig folgende:
- Sägezahn
- Rechteck (auch Puls genannt)
- Dreieck
- Sinus
Beispielsweise klingen Sägezahn und Rechteck deutlich aggressiver und kantiger als Dreieck oder Sinus.
Für einen energetischen Lead-Sound nutzen wir beide Oszillatoren, die jeweils eine Sägezahnwelle ausgeben. OSC 1 ist startklar, er hat bereits den Sägezahn ausgewählt. Den zweiten Oszillator stellen wir noch dementsprechend ein:
- OSC 2: Wellenform-Taster drücken, bis der LED-Pfeil auf die Sägezahnwelle zeigt
- OSC MIX: Regler genau »auf 12 Uhr« (Wert im Display: 5.0) stellen
Mit OSC MIX stellen wir ein, wie das Lautstärkeverhältnis beider Oszillatoren zueinander sein soll. Wir beginnen mit gleich laut, also 50:50. Später können wir das noch etwas feintunen.
Schwebende Sounds durch Verstimmung
Wenn wir die Tonhöhe der Oszillatoren leicht gegeneinander um wenige Cents verstimmen, beginnt der Sound leicht zu schweben. Diese sogenannten Schwebungen sorgen für fette, mächtige Lead-Sounds. Es ist wichtig, die Verstimmung nicht zu weit zu treiben – sonst klingt es unrein.
Mit unserem Synthesizer lässt sich Oszillator 2 um einzelne Hundertstel-Halbtonschritte tiefer oder höher stimmen. Wir wählen einen Viertelton, also +25 Hundertstel.
- OSC 2: FINE TUNE nach rechts drehen, bis das Display »25« anzeigt
Im Songkontext kann das schon zu viel sein – dann müssen wir die Verstimmung nachher noch nachregeln.
Unisono
Aktivierst Du den Unisono-Modus für die Oszillatoren (englisch: Unison), wird unser Sound etwas satter und bekommt mehr Fülle. Im Stile alter polyphoner Synthies werden zusätzliche, leicht verstimmte Oszillatorstimmen »aufeinandergestapelt«. Hierbei handelt es sich um Kopien der eigentlichen Oszillatorstimmen.
Beim Nord Lead 4 sind bis zu drei zusätzliche Unisono-Stimmen möglich. Wir wählen zwei, um eine gewisse Schnittigkeit zu wahren, die Lead-Sounds gut zu Gesicht steht:
- Bei VOICE MODE den UNISON-Taster so lange drücken, bis die LED neben »2« leuchtet
Was Du über die sonstigen gängigen Parameter von Oszillatoren wissen musst, erfährst Du im Grundlagenartikel Was ist ein Oszillator?.
3. Filter
Mit dem Filter entziehst Du dem Audiosignal aus dem Oszillator bestimmte Frequenzbereiche, wodurch sich der Klang stark verändert. Der Nord Lead 4 hat einen sogenannten Multi-Mode-Filter. Mit dem hast Du die Wahl, ob die hohen Frequenzen, die tiefen oder beide beschnitten werden sollen.
Für unseren Lead-Sound verwenden wir einen sogenannten Tiefpass-Filter. Dieser lässt alle Frequenzen unterhalb der Grenzfrequenz passieren und alle darüber werden gefiltert. Der Typ »LP24« greift mit einer hohen Filtergüte ein: Die hohen Frequenzen oberhalb der eingestellten Frequenz werden vergleichsweise kräftig herausgefiltert.
Lies mehr zum Thema im FAQ: Filter Typen
Frequenz
Wo die Grenze zwischen dem gefilterten und dem ungefilterten Klanganteil liegt, bestimmst Du mit FREQ-Regler. Bei anderen Synthesizern heißt dieser oft »Cutoff«. Das Schrauben an diesem Regler kennst Du aus zahlreichen EDM-Songs, die damit gerne arbeiten.
Resonanz
Mit der Resonanz wird der Sound markanter und bissiger. Wir brauchen nur ein ganz klein wenig, um den Charakter des Filters noch besser herauszukehren:
- RESONANCE auf 2.0 stellen
Eine starke Resonanz kann sehr schrill klingen. Das ist unangenehm bis gefährlich für Ohren und die Abhöranlage.
Was wir verwendet haben: Clavia Nord Lead 4
Für dieses Tutorial haben wir den neuen Clavia Nord Lead 4 genutzt: Dieser klingt nicht nur exzellent, er ist für Lead-Sounds bestens geeignet. Die virtuell-analoge Klangerzeugung kann 20-fach polyphon gespielt werden und bietet Zugriff auf zwei Oszillatoren pro Stimme.
Natürlich hat dieser Synthesizer noch wesentlich mehr auf dem Kasten, als wir im Rahmen dieses Tutorials ausschöpfen.
Als kleine Besonderheit gibt es einen hölzernen Pitchbender für Tonhöhenmodulationen, der gerade bei der Modulation markanter Leads haptisch überzeugt. Das gilt auch für das aufgeraute steinerne Mod-Wheel. Die Verarbeitung ist makellos.
Highlights der Klangerzeugung beim Nord Lead 4
- Virtuell-analoge Synthese
- Polyphonie: 20 Stimmen
- 4-fach multitimbral
- 2 Oszillatoren pro Stimme
- FM (3 Typen), Hard/Soft Sync und Unisono (max. 3-fach)
- 2 LFOs, eins davon alternativ als Arpeggiator nutzbar
- Dedizierte ADSR-Hüllkurven für Verstärker & Filter
- Zuweisbare Hüllkurve (AR bzw. ADR)
- Resonantes Multi-Mode-Filter
- Effekte: Delay, Reverb, Kompressor, Bit-Crusher, Kammfilter, Talkbox
4. Hüllkurve zur Modulation
Die Hüllkurve beeinflusst den zeitlichen Verlauf – je nach Synthesizer können damit die Lautstärke der Oszillatoren, der Filter oder auch andere Bauteile gesteuert werden. Wir werden die Hüllkurve für den Filter nutzen, sie wird bei jedem Tastenanschlag von neuem ausgelöst.
Wir wollen wie ein Bildhauer dem Sound eine Gestalt verpassen – aus einem statischen, nichtssagenden Marmorblock eine Figur meißeln.
Mit diesen Einstellungen schaffst Du die Grundlage:
- FREQ auf 0 drehen
- ENV AMT auf 10 drehen
Schon mit den Standardeinstellungen des Nord Lead 4 hörst Du, was eine Hüllkurve ausmacht – beim Anschlag ist der Tiefpassfilter noch »offen« (es wird nichts gefiltert), aber nach und nach schließt er sich in einer fließenden Bewegung (die Filterfrequenz wandert nach unten).
Timing- Parameter
Das Timing des Filterverlaufs kannst Du jetzt mit den vier Reglern ATTACK, DECAY, SUSTAIN und RELEASE in der FILTER-Sektion regeln. In unserem Fall könnte man es so beschreiben:
- ATTACK: Wie schnell der Sound nach dem Anschlag »anschwillt«
- DECAY: Wie schnell der Sound nach der ATTACK-Phase »abschwillt«
- SUSTAIN: Filterfrequenz nach der DECAY-Phase bei gedrückt gehaltener Taste
- RELEASE: Wie schnell der Sound nach dem Loslassen der Taste »abschwillt«
Mehr zum Thema: FAQ: Was ist eine Hüllkurve?
Für unseren Lead-Sound nutzen wir folgende Einstellungen:
- ATTACK: 0
- DECAY: 8.5
- SUSTAIN: 7.7
- RELEASE: 2.5
Wichtig: Damit die RELEASE-Phase der Filterhüllkurve abgespielt wird, musst Du auch den RELEASE-Regler in der Sektion AMP ENV (mindestens) genauso hoch aufdrehen. Er befindet sich direkt darüber.
Grundsätzlich kann man über für Attack, Release & Co. Folgendes sagen:
- Niedrige Werte: kurze, perkussive, »zackige« Sounds – z.B. Drum Sounds & Zaps
- Hohe Werte: langsam an- und abschwellende Klänge – z.B. Pads
5. LFOs – den Klang schwingen lassen
Die Abkürzung LFO steht für »Low Frequency Oscillator«. Neben der Hüllkurve handelt es sich um das zweite gängige Werkzeug zur Beeinflussung von Synthesizer-Parametern im zeitlichen Verlauf. Ein LFO versetzt diverse Aspekte des Klangs in eine dauerhafte Schwingung – ein gutes Beispiel ist der »wobbelnde« Bass im Dubstep, bei dem die Filterfrequenz moduliert wird.
Genau das wollen wir bei unserem Lead-Sound auch machen. Er soll leicht »schimmern« und damit lebendiger wirken. Das erreichen wir mit den folgenden Einstellungen in der Sektion LFO2:
- LFO2: RATE auf 5.0 – moderate Geschwindigkeit
- LFO2: Wellenform auf Dreieck (»V«) – organisch wirkende Modulation
- LFO2: Modulationsziel auf FILTER – Modulation der Filterfrequenz
- LFO2: AMOUNT auf 2.0 – sanft wahrnehmbare Modulationsstärke
Mehr zum Thema: FAQ: Was ist ein LFO?
6. Effekte – Die letzte Würze
Integrierte Effekte bei einem Synthesizer verleihen deinem Klang das gewisse Etwas. Sie verfremden ihn mehr oder weniger stark. Eine Auswahl:
- Delay und Reverb – Echo- und Halleffekte für atmosphärisch weite Klänge
- Sättigung und Verzerrung – für den gewissen »Schmutzfaktor«
- Modulationseffekte – Chorus, Phaser und Flanger für Spezialeffekte
- Bit-Crusher – für retroartigen Lo-Fi-Charme
- Kompressor – Abschwächen von sprunghaften Pegelausschlägen
Perfekt zu unserem Lead-Sound passt der Drive-Effekt in der Sektion FX des Nord Lead 4 – behutsam eingesetzt, sorgt er für eine leichte Verzerrung und damit einen angenehm rohen Sound.
- Effekttyp DRIVE einstellen
- AMOUNT: 4.0
- Schalter ON aktivieren
Interne versus externe Effekte beim Synthesizer
Synthesizer mit Effekten an Bord bieten gerade im Live-Einsatz einen erheblichen künstlerischen Mehrwert. Beim Spielen ist es von Vorteil, alles an einem einzigen Gerät erledigen zu können. Außerdem sind Transport sowie Auf- und Abbau inklusive Verkabelung viel einfacher. Der Nord Lead 4 ist ein gutes Beispiel für einen gelungenen All-in-one-Synthesizer.
Alternativ dazu kannst Du die Sounds aus Synthesizern mit beliebigen Effektpedalen oder Multi-Effektgeräten aufpeppen. Im Studio bieten sich wiederum Effekt-Plugins an.
Und hier noch einmal zwei Soundbeispiele vom fertigen Lead-Sound (ohne & mit Hall):