Funky Blues-Gitarre aufnehmen & abmischen mit Apollo Twin
Apollo Twin & UAD-Plugins für eine funky Blues-Gitarre
Die »Console« ist die Schaltzentrale des Apollo Twin. Hier siehst Du die Input-Signale, regelst das Monitoring und setzt die UAD-Plugins ein. Neben Effekten wie dem FET-Kompressor 1176, einem Pultec-EQ oder Realverb Pro kannst Du deine Gitarrenspuren auch durch den virtuellen Röhren-Preamp 610-B schicken.
Mit im Lieferumfang des Apollo Twin befinden sich die »Softube Amp Room Essentials«, die dir einen Marshall JCM800 für Gitarren sowie einen Ampeg SVT 810 mit 8×10-Box für Bässe zur Verfügung stellen.
Und hier ist der finale Sound:
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Du hast die freie Wahl, ob Du die Verstärkersounds direkt mitaufnimmst, nur zum Einspielen verwendest oder zu einem späteren Zeitpunkt im Mix per Reamping hinzufügst.
Für das Tutorial werden wir alle drei Möglichkeiten nutzen: Wir nehmen die Gitarren clean auf, nutzen für das Monitoring beim Einspielen die virtuellen Verstärker und werden den finalen Sound im Nachhinein per Reamping einstellen.
Nachdem Du deine E-Gitarre am vorderen Hi-Z-Eingang (Kanal 1) des Apollo Twin angeschlossen hast, kannst Du mit dem Einpegeln der E-Gitarre mittels des großen Hardware-Reglers beginnen. Über den INPUT-Taster am Audio Interface wählst Du den entsprechenden Eingangskanal aus.
Erhöhe den Input Gain, bis die linke LED-Anzeige am Audio Interface (CH1) in den lautesten Passagen etwa bei -6 dB liegt und nie in den roten Bereich kommt, da sonst Verzerrungen auftreten. Behalte zur exakten Justierung des Eingangspegels parallel auch das Level Meter in der Software Console im Auge. Mit den beiden Tastern PREAMP und MONITOR wählst Du aus, ob der Hardware-Regler den Eingangspegel oder die Lautstärke deiner Studiomonitore bzw. des Kopfhörers regelt.
Auf der Hardware-Oberseite stehen dir noch weitere Funktionen für das Eingangssignal zur Verfügung, zum Beispiel ein Low Cut bei 75 Hz oder einen Pad-Schalter (-20 dB), falls die Tonabnehmer Deiner Gitarre bereits bei niedriger Vorverstärkung zu viel Output liefern.
Um Dein Gitarrensignal durch den virtuellen Röhrenpreamp UA 610-B zu schicken, musst Du diesen im PREAMP-Slot des Eingangskanals in der Console auswählen. Über den Gain-Regler steuerst Du die Eingangsverstärkung des Signals, über den großen Level-Regler weiter unten die Ausgangsverstärkung. Spiele mit beiden Gain-Stufen herum, bis Du eine passende Kombination gefunden hast, die Deinen klanglichen Vorstellungen entspricht.
Da es sich beim 610-B um einen Röhrenvorverstärker handelt, kannst Du ihn gerne »heiß anfahren«, also mit hohem Gain betreiben, um die angenehmen Röhrenverzerrungen zu erhalten. Gerade cleane E-Gitarren profitieren von den so entstehenden harmonischen Obertönen und bekommen einen besonders warmen, dicken und »schmatzigen« Sound. Über den Output-Regler passt Du schließlich die Ausgangsverstärkung für die weitere Signalbearbeitung an, ohne jedoch den Klangcharakter zu beeinflussen.
Um den Gitarrensound nachträglich verstärken zu können, nimmst Du die Gitarrenspuren clean in Deiner DAW auf. Wie Du beim Einspielen trotzdem einen passenden Verstärkersound hörst, erfährst Du in diesem Schritt. Stelle hierzu »Insert Effects« in der Console auf MON – jetzt liegen die UAD-Plugins nur im Monitorweg. Achte darauf, dass bei »Headphone Source« und »Monitor Source« ebenfalls MON ausgewählt ist.
Wähle nun im ersten Insert-Slot deines Eingangskanals das Plugin »Amp Room Essential« aus und stelle dir den Sound so ein, wie Du ihn brauchst. Für die Rhythmusgitarre habe ich mich für einen nur ganz dezent angecrunchten Sound entschieden. Das virtuelle Mikrofon sitzt sehr nah an der 4x12er-Box, um ein direktes und präsentes Klangbild zu erreichen. Falls dir der Sound zu basslastig erscheint, kannst Du das Mikrofon etwas anwinkeln.
Um die eigentliche, cleane Aufnahme zu hören, kannst Du den betreffenden Kanal oder die Stereosumme deiner DAW auf einen der Virtual I/Os der Console routen und zwischen dem Eingangssignal mitsamt Verstärkersimulation sowie der cleanen DAW-Spur hin- und herwechseln. Achte in diesem Fall darauf, dass das Software-Monitoring in Deiner DAW ausgeschaltet ist, da es sonst zum Phasing zwischen beiden Spuren kommen kann.
Nachdem die Rhythmusgitarre clean mit dem Preamp-Sound des 610-B aufgenommen ist, kannst Du dich der Sologitarre widmen. Um den Hi-Z-Eingangskanal 1 frei zu haben und trotzdem die Rhythmusgitarre mit Verstärkersimulation beim Einspielen zu hören, kopierst Du das Amproom-Halfstack-Plugin einfach mittels Rechtsklick (Options/Copy) auf einen freien Virtual I/O der Console. Nun brauchst Du lediglich noch die bereits aufgenommene DAW-Spur mit der cleanen E-Gitarre aus der DAW heraus auf den entsprechenden Virtual I/O zu routen.
Für die Aufnahme der Sologitarre wiederholst Du die Schritte 2, 3 und 4 dieses Tutorials und suchst dir einen passenden Verstärkersound für Deine Sologitarre aus. In unserem Fall habe ich Funk-typisch ebenfalls auf einen Cleansound, jedoch mit wesentlich präsenteren Mitten gesetzt, damit sich das Solo gut gegen die Rhythmusgitarre durchsetzt.
Auch hier kannst Du wieder wählen, ob Du die Plugins im Insert des Eingangskanals direkt mitaufnehmen (REC) oder nur für das Einspielen hören möchtest (MON).
Nachdem Du die passenden Verstärkersounds für Deine Rhythmus- und Sologitarre gefunden hast, kannst Du dich der weiteren Klangbearbeitung zuwenden. Mit dem Pultec Pro Legacy steht eine Kombination aus den beiden legendären Pultec-Equalizern MEQ-5 und EQP-1A zur Verfügung. Falls Du dich zuvor noch nie mit Equalizern von Pultec beschäftigt hast, kann deren Funktionsweise am Anfang etwas verwirrend sein. Besonders die Möglichkeit, ein Band gleichzeitig anzuheben als auch abzusenken geben dir jedoch enorme Klangformungsoptionen an die Hand. Einfach ausprobieren und experimentieren – Pultec-Equalizer verzeihen auch heftigere Eingriffe in den Frequenzgang.
Für die Rhythmusgitarre nutze ich drei der insgesamt fünf Bänder, um den Bass- und Tiefmittenbereich bis 500 Hz aufzuräumen und Platz für die Sologitarre zu machen. Zudem erhält die Rhythmusgitarre durch eine Anhebung bei 5 kHz mehr Präsenz, so dass die schnellen Anschlagsgeräusche den funky Charakter zusätzlich unterstützen.
Die Sologitarre erhält für mehr »Fleisch auf den Knochen« einen kräftigen Boost bei 500 Hz. Zudem rückt sie durch eine weitere Anhebung bei 2 kHz stärker in den Vordergrund und kann sich so besser gegen die dominante Rhythmusgitarre durchsetzen.
Nachdem die Klangbearbeitung in Console abgeschlossen ist, kannst Du dich den Dynamikverläufen zuwenden. Hierfür ist der Kompressor das gängige Mittel der Wahl. Ein Klassiker (und bis heute Standard in beinahe allen großen Studios) ist der 1176 von Urei, den Universal Audio in zwei Versionen als UAD-Version anbietet: 1176LN und 1176SE. Die silberne SE-Variante verbraucht dabei nur etwa ein Drittel der DSP-Leistung des 1176LN.
Beim 1176 stellst Du den Arbeitspunkt des Kompressors nicht über einen Threshold-Wert ein, sondern über den Input-Regler. Die entstehende Gain Reduction gleichst Du über den Output-Regler aus. Attack und Release bestimmen das Ansprechverhalten der Kompression.
Für die Rhythmusgitarre fahre ich das Signal mittels des Input-Reglers etwas stärker in die Kompression, so dass auch die leiseren Anschläge bzw. Signalanteile erfasst werden. Um den unruhigen Dynamikverlauf mit den zahlreichen Signalspitzen zu glätten, stelle ich die Release-Zeit nicht zu kurz ein. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, um die Lebendigkeit des Signals nicht zu beeinträchtigen.
Die Sologitarre hat durch die Einzeltöne und teils gehaltenen Noten einen deutlich abweichenden Dynamikverlauf und bedarf weniger der Glättung als vielmehr der Erhöhung der Lautheit, um im Mix nicht unterzugehen. Aus diesem Grund habe ich die Release-Zeit bei der Sologitarre etwas länger gewählt – auch, um keine ungewollten Lautstärkesprünge während einer ausgehaltenen Note zu bekommen.
Nach Klang- und Dynamikbearbeitung geht es nun an die Räumlichkeit der beiden Gitarren. Das UAD-Plugin-Paket des Apollo Twin Duo bietet dir mit dem RealVerb Pro einen algorithmischen Hall, der dir neben den Standard-Parametern auch die Wahl über das Oberflächenmaterial eines Raums gibt. Um mich nicht im Parameter-Dschungel zu verlieren, greife ich für unsere beiden Gitarrenspuren jedoch auf die sehr gut abgestimmten Presets zurück.
Sowohl die Rhythmus- als auch die Sologitarre platziere ich in einem mit Korkwänden und Sitzreihen ausgestatteten, mittelgroßen Jazzclub. Um eine leichte Tiefenstaffelung zu erhalten (nicht zu viel, denn in der Realität sitzt der zweite Gitarrist selten 20 Meter hinter dem ersten), setze ich die Early Reflections bei der Rhythmusgitarre auf einen kleineren Wert als bei der Sologitarre. Zudem spiele ich mit dem Pegelverhältnis von Early Reflections und Nachhall – je stärker dieses in Richtung Erstreflexionen geht, desto näher erscheint das betreffende Signal.
Beide Hall-Plugins werden über die Aux-Send-Wege der Virtual I/Os angesteuert und den Spuren parallel zugemischt.
Akustikgitarre aufnehmen
Nachdem Du deinen finalen Gitarrensound durch die UAD-Plugins in der Console gefunden hast, brauchst Du beide Spuren nur noch final in Deiner DAW aufzunehmen. Dazu stellst Du den Schalter von »Insert Effects« auf REC und routest Du den Stereo-Ausgang der Console (in diesem Fall: die beiden Monitor Outs) auf die Eingänge derjenigen Spuren deiner DAW, auf denen Du aufnehmen möchtest.
Beachte: Wenn Du anstelle des Stereo-Outs von Console die Virtual IOs als Eingänge der DAW-Spuren auswählst, wird der per Aux-Send angesteuerte Hall nicht mitaufgenommen!
Im Anschluss kannst Du die frisch aufgenommenen Spuren in Deiner DAW beliebig weiterbearbeiten bzw. in einen bereits bestehenden Mix einbinden. Natürlich stehen dir die UAD-Plugins aus dem »Realtime Analog Classics Bundle« auch in Deiner DAW zur Verfügung. Für den finalen Mix beider Gitarrenspuren habe ich lediglich noch den LA-2A Levelling Amplifier sowie den Cubase-internen Limiter eingesetzt.
Hier ist noch einmal das Endergebnis