„SSS“- und Zischlaute entfernen – De-Essing von Vocals
De-Essing: Zischlaute entfernen aus Vocals & Co.
Das beste Mittel gegen überschwängliche Zischlaute in Aufnahmen ist natürlich, sie erst gar nicht aufzunehmen – die Wahl des Mikrofons und des Vorverstärkers ist entscheidend, ebenso die Sprech- bzw. Gesangstechnik (z.B. ganz leicht an der Kapsel vorbei).
Doch hier soll um etwas anderes gehen, nämlich wie Du die Zischlaute in deinen Aufnahmen nachträglich abschwächst. Dabei kannst Du drei Möglichkeiten nutzen. Los geht’s …
Passend dazu
- Gesang abmischen: 5 elementare Frequenzen für gute Vocals
- 3+1 Wege um Sidechain Kompression anzuwenden
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1. De-Esser verwenden
- Automatische Entfernung der Zischlaute in Echtzeit
- Das Vocal verliert insgesamt an Brillanz – nicht nur während der Zischlaute
Einen sogenannten De-Esser zu verwenden, stellt eine superbequeme Mehtode ohne großen Aufwand dar. Im Live-Betrieb ist es ohnehin die einzige Möglichkeit, denn alles passiert in Sekundenbruchteilen und automatisch. Solche Hard- oder Software gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen, vom kostenlosen Plugin bis hin zu hochwertigen Spezialisten für 19-Zoll- oder API-500-Racks.
Je nach a) Vocal, b) der Qualität deines De-Essers und c) dessen Einstellungen können die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen. Außerdem wird durch einen De-Esser das gesamte Vocal in seiner Brillanz beeinträchtigt – gute De-Esser erkennen die Stellen der Zischlaute zwar recht zuverlässig, aber stets ist auch an den anderen Stellen zumindest ein subtiler Höhenverlust zu spüren.
2. Kompressor über die Sidechain ansteuern
- Automatische und punktgenaue Abschwächung der Zischlaute in Echtzeit
- Aufbau bzw. Routing etwas umständlich + Equalizer nötig
Hier brauchst Du einen Kompressor mit einem Sidechain-Eingang. Diese Geräte bzw. Plugins firmieren oft einfach unter dem Begriff »Sidechain-Kompressor«.
Dupliziere deine Vocalaufnahme – im Folgenden »Spur I« genannt – auf eine neue Spur – im Folgenden »Spur II«. Letztere muss so eingestellt sein, dass sie in deinem Mix nicht zu hören ist. Jetzt schickst Du das Signal von Spur II in den Sidechain-Eingang des Kompressors, der als Insert-Effekt auf Spur I werkeln soll.
Verstärkte auf Spur II nun mit einem Equalizer die Frequenzen um 7-8 kHz (je nach Sänger unterschiedlich) relativ schmalbandig (mit niedrigem Q-Wert). Diese künstliche Übertreibung ist der Knackpunkt, denn sonst könntest Du auch gleich einen ganz normalen Kompressor nehmen – dank EQ-Boost kann ein Sidechain-Kompressor auf die starken Pegelausschläge der Zischlaute reagieren und das Signal ansonsten unberührt lassen.
3. Automation der Lautstärke
- Punktgenaue Abschwächung der Zischlaute
- Kein Verlust von Brillanz über die gesamte Spur hinweg
- Zeitaufwendig – Du musst jeden Zischlaut einzeln bearbeiten
Diese Methode ist unglamourös und zeitintensiv, führt bei gewissenhafter Ausführung aber zu den besten Ergebnissen – da hier jeder Zischlaut mit der Lautstärken-Automationskurve der entsprechenden Vocal-Spur einzeln und von Hand abgesenkt wird, hast Du die volle Kontrolle.
Einerseits wird der Rest der Spur nicht betroffen wie beim De-Esser, andererseits sind kein EQ, kein Sidechain-Kompressor und keine zusätzliche Spur mitsamt Routing nötig.
Zischlaute entfernen – Video mit weiteren De-Essing-Techniken
Artikel zum Video » De-Esser: Mit diesen 4 Techniken zähmst Du Sibilanten
Fazit zum Thema »Zischlaute entfernen« / Vocal De-Essing
Es gibt eine Vielzahl von De-Essern, sowohl in Hardware als auch in Software, die den Job zuverlässig erledigen können. Sei aber gewarnt – man kann den Effekt sehr schnell übertreiben und bekommt am Ende eine Aufnahme mit einem lispelnden Sänger oder einem insgesamt dumpfer gewordenen Vocal. Nicht so bei der Sidechain-Kompression und der Automatisierung der Lautstärke, doch gerade Letzteres ist recht mühselig.
Wie eingangs erwähnt, solltest Du dir überlegen, ob Du die Vocalspuren nicht doch neu aufnehmen kannst – eventuell mit einem anderen Mikrofon und/oder Preamp.
Aber selbst wenn Du nur ein Mikrofon und einen Vorverstärker am Start hast, lohnt es sich, die Aufnahme zu wiederholen. Bitte den Sänger, bei Zischlauten den Kopf leicht zu drehen, so dass der Schall nicht direkt ins Mikrofon geht, sondern etwas daran vorbei.
zu '„SSS“- und Zischlaute entfernen – De-Essing von Vocals'
Thorsten Walter 16. Jan 2008 10:13 Uhr
Schön erklärt !! :-)
Heutzutage gibt es aber super DeEsser als PlugIns, welche das Signal überhaupt nicht mehr Dumpf machen. Ein gut eingestellter DeEsser bearbeitet ausschließlich die Zischlaute und lässt die anderen Laute unangetastet. Dazu muss man halt einen guten Sidechain EQ haben, oder einen guten DeEsser, der schon einen -am besten parametrischen- EQ eingebaut hat. Irgendwo gibt es bei jedem Vocal in den Zischlauten eine Frequenz die man zuverlässig anfahren kann damit der Kompressor ausschließlich auf diese reagiert. Ich finden zB den Waves RDeesser vorbildlich.
konti 03. Dez 2009 10:49 Uhr
Hallo,
ich bin Sänger und habe ein Problem mit Zischlauten, sie hören sich auf der Aufnahme extrem aggressiv an. Wenn ich einen DeEsser reinschalte höre ich bei leichtem Einfluss kaum Verbesserung und bei hohem Anteil lispel ich auf der Aufnahme.
Gibt es Tipps wie man schon bei der Aufnahme bzw. beim eigentlichen Singen Zischlaute abschwächt bzw. sie garnicht erst singt ohne sie zu verschlucken?
Equi: Cubase 5, Sontronics STC-2, Saffire pro 40, Voice Live 2, DeEsser (Cubase plugin, Voxengo, Splitfish)
Carlos (delamar) 03. Dez 2009 14:25 Uhr
Ich würde unbedingt ein anderes Mikrofon probieren. Ansonsten wie schon im Artikel angesprochen den Kopf seitlich drehen, wenn Du die Zischlaute singst.
Den DeEsser mal als ersten Effekt im Insert testen hilft auch schon oftmals. Im argen Notfall kannst Du einfach ein Tambourine auf die entsprechenden Stellen setzen. Das kaschiert das Lispeln...
konti 03. Dez 2009 15:43 Uhr
Ich weiss nicht ob das am Mikro liegt, denn mein Keyboarder singt backvocals und bei ihm hab ich das Problem nicht, aber ich versuchs mal mit deinem Lösungsvorschlag!
Danke
much 12. Mai 2010 07:57 Uhr
der artikel ist zwar schon bissl älter... aber hier noch ne idee zu deinem problem...
probier mal das mikro höher zu setzten ... unterkante oberlippe...
da die sss laute auch von den schneidezähnen etwas nach unten abgelenkt werden ...
Simon-Kephas 25. Sep 2014 15:49 Uhr
Hallo, gibt es dieses Forum überhaupt noch? Ich sehe keine Einträge seit 2010!
Ich habe ein ähnliches Problem. Es handelt sich hierbei aber nicht um den ss-Laut sondern um das deutlich hörbare Einatmen vor jedem 'Satz'. Ich habe hier eine Karaokeaufnahme mit einer recht guten weiblichen Stimme, aber mit dem störenden zischenden Laut des Einatmens. Mit dem De-esser ist da wohl nichts zu machen. Weiß jemand, was da zu machen ist?
Danke!
Raziel 27. Sep 2014 11:02 Uhr
Du könntest die Aufnahme moderat gaten. Wenn der störende Anteil nur beim Einatmen auftritt, also immer unmittelbar vor dem nächsten Wort, vor der nächsten Strophe, kannst Du den Release beim Gate schon entsprechend länger einstellen, damit es nicht abgehackt klingt. Wie gut das Gate arbeiten kann, hängt davon ab, wie groß die Dynamik zwischen dem Einatemzischen und der eigentlichen Stimme ist. Zur Not, vor dem Gaten das Zischen mit EQ sweepen und umkehren, damit es vom Gate zuverlässig ignoriert und und nach dem Gate diesen gecutteten Frequenzanteil wieder boosten.
Simon-Kephas 27. Sep 2014 15:24 Uhr
Habe herzlichen Dank für die prompte und ausführliche Antwort. Jetzt muss ich erst mal ausfindig machen, was das 'moderate Gaten' bedeutet.Ist das überhaupt bei Audacity drin? Na ja, schaun wir mal!
Patrick 30. Aug 2016 11:50 Uhr
Also wenn bei bewusstem Atemgeräusch gar nix mehr hilft von der Effektseite her, dann tu ich mir immer die etwas umständliche Arbeit an und überlege mir immer, ob ich dieses Atmen auf der Spur wirklich brauche. Brauch ich's nicht, wird's einfach weggeschnitten. Ist zwar eine etwas rabiate Methode, hilft aber. Natürlich muss man halt für sich selbst wirklich überlegen, ob man das Atmen auf der Spur drauf haben will oder nicht.
Raziel 27. Sep 2014 16:40 Uhr
Mit 'moderat' meine ich die Attack- und Releasezeiten, ein Gate macht ja im Endeffekt einfach nur auf- und zu, also anteilmäßig gaten geht ja zunächst nicht. Ich bin auch gerade nicht trittsicher, ob Audacity da was passendes mitbringt. Wenn es um eine einmalige Geschichte geht lohnt eine DAW-Software sicher nicht, wenn Du aber öfter solche Sachen machen willst, würde ich Dir raten, Dich in diese Richtung mal umzusehen, ob nun Reaper, Cakewalk Sonar oder eine kleine Cubaseversion, um mal einige zu nennen ist ja erstmal egal und unterliegt nur Deinen Vorlieben und Geldbeutel. Der Vorteil solcher Softwares ist einfach, dass man in die Audiokanäle Effekte reinziehen und daran herum spielen kann, ohne das Audiomaterial gleich zu verändern. Der weitere Vorteil dieser Softwares ist die Automation. Mag zwar für Dein Beispiel ein bisgen fizzelig sein, aber in so einer Software wäre es auch möglich, z.B. einen Multibandkompressor in den zischenden Höhen nur dann arbeiten zu lassen, wenn Deine Sängerin gerade Luft holt. Oder letzlich, der mühseligste Weg, die Gesangsspur kopieren, die Luftholer ausschneiden und löschen, auf der zweiten Spur nur die Luftholer stehen lassen und einfach leiser pegeln (Luftholen ist im Gesang ein natürliches 'Phänomen' und lässt man auch gerne mal im Gesangspart drin).
Simon-Kephas 27. Sep 2014 20:35 Uhr
Vielen Dank! Ich wollte Du wärst mein Nachbar! Übrigens: Audacity hat 'ne Menge Effekte und Anderes drin, aber von 'gate' ist nirgends die Rede.
Raziel 29. Sep 2014 17:22 Uhr
...wenn Du willst, kann ich Dich ja mal ein bisgen unterstützen. Hierzu habe ich eine Mailaddy angelegt: raziel_delamar@online.de
Hier kannst Du mich mal anschreiben und ggf. die Dateien mal zuschicken, dann kann ich Dir mehr dazu sagen, wie man was machen könnte um Dein Problem in den Griff zu bekommen.
(ich bin nicht von delamar, auch wenn die Mailadresse darauf hindeutet, ich habe nur diesen Namen gewählt, da ich diese Weiterleitung zu meiner Mailadresse nur kurzfristig geschaltet habe und ich wegen Spam meine eigntliche Adresse hier online nicht hinschreiben möchte)
Raziel 28. Sep 2014 01:23 Uhr
Wie gesagt, das mit dem Gate ist nur eine Möglichkeit von mehreren, es hängt davon ab, wie das Audiomaterial aussieht. Ich habe gerade mal geschaut, Audacity bringt in der Tat erst mal kein Gate mit, jedoch kann Audacity auch mit fremden Effekten, sog. VSTs umgehen. Hier müsste man aber mal schauen, wo man diese VSTs auf der Festplatte hinlegen muss, damit Audacity diese auch findet. Ich selbst benutze Audacity nur noch gelegentlich, wenn ich mal an einem Audiofile einen Pegel normalisieren will oder eine leichte Kompression auf einem Track brauche und dazu nicht das Cubase anwerfen will.
Patrick 30. Aug 2016 12:01 Uhr
Da ich mit De-Essern bisher noch nicht gearbeitet habe, möchte ich mal ganz laienhaft die Frage einwerfen, ob nicht schon eine dezente Absenkung in dem Frequenzbereich, wo die Zischlaute gut hörbar sind durch einen parametrischen EQ nicht schon ausreichend wäre?
raziel28 30. Aug 2016 14:00 Uhr
Denkbar ist das schon, aber eher zur Feinpolitur. Probiers einfach aus, das Zwischen sweepen und dann umkehren. Danach nochmal in Ruhe abhören. Wahlweise einen Multibandkompressor nehmen, da hat man einfach mehr Einfluss auf die Dynamik. Es geht ja nicht darum, die Zischlaute auszulöschen, das klänge ja unnatürlich.
Patrick 30. Aug 2016 18:13 Uhr
Nein, das ist schon klar, aber würde man sich dann durch eben diese eventuelle Absenkung in eben dem Frequenzbereich, wo die Zischlaute am deutlichsten sind nicht schon den Einsatz eines De-Essers ersparen?
raziel28 30. Aug 2016 18:30 Uhr
Meiner Erfahrung nach nicht, bzw, der EQ arbeitet zu statisch, man hört, dass da dann was fehlt. Hängt aber auch immer ganz von der Aufnahme und der Stimme ab, ob und wieviel da nötig ist. Ich hatte auch schon Aufnahmen gemacht, wo gar kein DeEsser nötig war, nur ein bisschen Multibandkompression.
Patrick 30. Aug 2016 21:30 Uhr
Okay, danke. Werd daran denken, wenn ich die nächste Produktion im Haus habe. :-)
Torben 31. Aug 2016 11:11 Uhr
Als De-Esser kann ich auch sehr gut den TDR Nova EQ empfehlen:
http://www.tokyodawn.net/tdr-nova/
Durch die dynamische Anpassung und einstellbare Flankensteilheit ist das Teil sehr flexibel.
Und durch den Analyzer sieht man auch recht deutlich, wo es zischt...
Bibber 23. Sep 2016 16:59 Uhr
genau den wollte ich auch gerade vorschlagen, super Teil für sowas.