Die Latenz in der Musikproduktion
Was ist Latenzzeit?
Latenz in der Musikproduktion erklärt
Ohne den Anspruch einen wissenschaftlichen Artikel zu veröffentlichen, wollen wir die Latenzzeit und deren Auftreten im täglichen Leben als Musiker bzw. Produzent besprechen und verständlich für Anfänger, Einsteiger und Fortgeschrittene darstellen.
Wir beleuchten, inwiefern uns die Latenz beeinflussen kann und wie sich das Verhältnis von realweltlichem Phänomen und der Latenz auf dem Computer verhält und was das für das Arbeiten in Echtzeit bedeutet.
In diesem ersten Teil des Artikels erklären wir die Grundlagen der Latenz und einige Fallbeispiele der Latenzzeit in der Praxis.
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Was ist Latenz?
Per Definition wird als Latenz die zeitliche Verzögerung zwischen einem Reiz und der daraus resultierenden Reaktion bezeichnet.
Die Wikipedia liefert uns zusätzlich noch einige Erkenntnisse über Latenzen in Bezug auf Computersysteme: So heißt es, dass als Latenzzeit die Summe von vorübergehenden Verzögerungen in einem Netzwerk bezeichnet werde, die bei der Verbreitung und Übertragung von Datenpaketen entstehen.
Entscheidende Faktoren hierbei sind die Größe der Pakete mit den Daten sowie die Größe der Puffer und die Bandbreite.
Wäre die Latenzzeit null, findet keine Verzögerung zwischen dem Gehörten und dem Gesehenen statt und je größer die Bandbreit eist, desto kleiner ist die Verzögerung.
Lies auch: Wie wichtig ist eine geringe Latenz?
Latenz im Bereich der Musik
Auf den Bereich Musik, Musikproduktion und Homerecording bezogen können wir Latenz als die zeitliche Verzögerung zwischen dem Entstehen eines Sounds und dem Erreichen unserer Ohren zusammenfassen.
Diese Definition ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Musiker gleichzeitig Sender und Empfänger ist. Dann nämlich entsteht eine spürbare Verzögerung zwischen dem Moment, in dem der Musiker eine Note spielt, und dem Moment, in dem er die gespielte Note hört, was zu erheblichen Problemen im Feeling und der Interpretation führt.
Die Latenzzeit ist die Zeit zwischen dem Einsetzen eines Reizes und der Reizantwort.
Denn, wer kann schon gut ein Instrument spielen, wenn er es nicht sofort hört?
Natürlich kann das Phänomen der Latenz vernachlässigt werden, wenn wir ein akustisches Instrument spielen (akustische Gitarre, Geige, Klavier, etc.).
Nicht aber, wenn wir einen Klang durch eine digitale Audio Workstation (DAW) bearbeiten und damit auf die Verwendung eines Computers, eines Audio Interface und auf die Wiedergabe des Klangs durch Studiomonitore bzw. Lautsprecher angewiesen sind.
Info
Die Latenz wird als Zeitspanne üblicherweise in Millisekunden angegeben.
1 ms = 1/1000 sek
Latenzzeit Beispiele
Die Latenz spielt in den unterschiedlichsten Anwendungen eine große Rolle. Nachfolgend findest Du ein paar Beispiele außerhalb der Musikproduktion, in denen Signale schnell übertragen werden müssen.
- Gaming: Beim Gaming (besonders online) spielt die Latenzzeit eine große Rolle. Die Verzögerung sollte hier möglichst gering sein, damit Datenpakete besser übertragen werden können. Spielst Du Beispielsweise einen Shooter, solltest Du auch dann schießen können, wenn Du die entsprechende Taste drückst. Dasselbe gilt auch für den Ton. Empfohlene Latenz: max. 60 Millisekunden
- Internet: Die Geschwindigkeit des Internets hängt von deinem DSL-Kabel ab. Je länger dies ist, desto höher ist auch deine Latenzzeit (In dem Fall auch Ping genannt). Ist das Kabel sehr lang und dementsprechend die Latenz hoch, wird zum Beispiel eine Website online deutlich länger laden – die Verzögerung im Netzwerk ist hoch und die Übertragung der Daten langsam.
- Musik hören: Bei Kopfhörern besitzen solche mit Kabel meist eine niedrige Latenzzeit und übertragen Signale schnell. Doch auch Bluetooth Kopfhörer sind der Null schön sehr nahe gekommen. Möchtest Du Musik in Echtzeit hören (parallel zu einem Video zum Beispiel) dann ist auch in diesem Fall eine geringe Latenzzeit von Nöten. Empfohlene Latenz: max. 30 Millisekunden
- Streamen: Beim Streamen auf Plattformen wie Twitch oder YouTube sorgen geringe Latenzen für eine gute Kommunikation mit dem Chat. Wenig Verzögerung bedeutet in dem Fall, dass Du deiner Community schneller auf ihre Fragen antworten kannst und den Chat und seine Reaktion fast in Echtzeit angezeigt bekommst.
- Musik: Auch in der Musik findet die Latenz ihre Anwendung. Ein einfach vorzustellendes Beispiel wäre hier ein Orchester. Hier stehen sich einige Musiker in einer Entfernung von bis zu 20 Metern entgegen. So kommen hohe Latenzen zustande und der Zuhörer nimmt die Musik ganz anders war.
Minimale Latenz
Was ist die minimal tolerierbare Latenz, die das menschliche Ohr ertragen kann? Diese Frage ist Gegenstand unzähliger Debatten und Diskussionen in einschlägigen Medien und bis heute hat sich keine einstimmige Meinung dazu heraus kristallisiert.
Die Frage nach einem gerade noch tolerablen bzw. ratsamen Wert für die Latenz bei der Arbeit mit digitalen Audio Workstations hat uns bisher nur die Erkenntnis gebracht, dass das menschliche Ohr und Gehirn sehr tolerant mit dem Phänomen umgeht und jeder Mensch eine andere Vorstellung davon hat.
Auch die Beschaffenheit des bearbeiteten Klangs kann bedeutenden Einfluss auf die Akzeptanz von Latenzzeiten nehmen.
So können Klänge mit langsamen Attack (Einschwingzeit) durchaus auch mit größeren Latenzen noch gefühlvoll gespielt werden, während die Toleranz für hohe Latenzen bei Sounds mit kurzen Attackzeiten zunehmend sinkt.
Zum besseren Verständnis können folgende Referenzdaten dienen:
- Schall breitet sich mit einer Geschwindigkeit von 340 m/s (Metern pro Sekunde) aus
- In der Praxis bedeutet das: Ein Meter wird in einer Zeit von 2,9 Millisekunden zurückgelegt. Eine Schallquelle in einer Entfernung von einem Meter hören wir also mit 2,9 ms Verzögerung
- In einem musikalischen Kontext betrachtet bedeutet es, dass zwei 1/32teln bei einem Tempo „Allegretto“ von 120bpm 62,5 ms voneinander entfernt sind.
Bei der Betrachtung dieser Fakten können wir schnell verstehen, dass wir in unserer täglichen musikalischen Praxis und Arbeit mit verschiedenen Latenzen zu tun haben, ohne dass uns diese Verzögerungen an der Ausübung unserer Tätigkeit hindern.
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Genauerer Blick auf die Latenzzeit
Um das Phänomen Latenz noch besser zu verstehen, betrachten wir folgende realweltliche Situationen, in den uns implizite Latenzzeiten begegnen:
- Eine akustische Gitarre ist in etwa 30 oder 40 cm von den Ohren des Gitarristen entfernt. Dieser hört den Klang seiner Gitarre also im Durchschnitt mit etwa 1 ms Latenz.
- Ein Geiger hat sein Instrument näher am Ohr, daher hört er den Schall mit nur 0,3 ms Verzögerung.
- Ähnlich bei einem Sänger, der seine Stimme auch mit etwa 0,3 ms Latenz hört.
Die Probleme mit der Latenz beginnen, sobald die Elektronik ins Spiel kommt. Nehmen wir zum Beispiel einen elektrischen Gitarristen, der seine E-Gitarre durch einen Gitarrenverstärker und dem angeschlossenen Lautsprecher hört.
In einer Entfernung von etwa einem Meter hört er die gespielten Noten mit einer zeitlichen Verzögerung von rund 3 ms – Signale können gut übertragen werden.
Auf einem Konzert mit einer entsprechend großen Bühne kann es leicht sein, dass der Gitarrist sich in einem Abstand von drei Metern zu seinem Stack befindet und damit den Klang seiner Gitarre mit einer Latenz von neun Millisekunden hört.
Die Problematik wird komplexer, je größer die Anzahl der involvierten Musiker und höher die Entfernung unter ihnen. Stellen wir uns eine Band mit drei Musikern vor, die sich längs auf einer Bühne mit vier Metern Breite befinden.
Der erste Musiker hört sich selbst mit einer Latenz von 0,3 ms, er hört das Bandmitglied auf der Mitte der Bühne mit einer Latenz von sechs Millisekunden und den Musiker am anderen Ende mit einer zeitlichen Verzögerung von 12 Millisekunden.
Die Unterschiede in der Wahrnehmung der drei Instrumente in diesem Beispiel sind beeindruckend und dennoch wird keiner der Musiker ein tatsächliches Problem mit einer solchen Situation haben.
Der Grund hierfür ist einfach: Unser Ohr bzw. unser Gehirn ist nicht in der Lage zwei Schallquellen zu unterscheiden, die mit einer zeitlichen Verzögerung von höchstens 11 ms ankommen.
Lies auch: Kostenlose Software zur Messung der Latenz
Multiple Latenzen
In einem klassischen Orchester entstehen Entfernungen von fast 20 Metern zwischen einigen der Musiker (z.B. Geiger und Bassisten), was einer zeitlichen Verzögerung des Schalls von ganzen 58 Millisekunden entspricht.
Dieser Wert überschreitet deutlich unsere oben definierte Wahrnehmungsschwelle von 11 ms und kann natürlich zu enormen Problemen bei der Interpretation von Musik führen (wir erinnern uns dass zwei 32tel Noten bei einem Tempo von 120bpm einen Abstand von 62,5 ms haben).
Noch komplexer wird die Situation, bezieht man die unterschiedlichen Positionen und Entfernungen zwischen den Musikern und den Faktor Saal/ Raum hinzu. Natürlich gibt es im Falle eines Orchesters oder einer Band eine Lösung für das Problem, was aber nicht Gegenstand dieses Artikels sein soll.
Das Beispiel sollte lediglich den Einfluss der Latenz bei der Interpretation von Musik und die Toleranzgrenze des menschlichen Ohres in komplexen Situationen verdeutlichen.
Und so schlagen wir den Bogen zurück zur Frage, die wir eingangs gestellt haben: Welche Latenzen sind gerade noch tolerierbar? Die Antwort hierauf kann nicht rein mathematisch und in absoluten Zahlen gegeben werden, obschon wir sehr wohl eine von der Mehrheit akzeptierte Wahrnehmungsschwelle von 11 Millisekunden festlegen konnten.
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Latenz in der Musikproduktion: Fazit
Wie Du nun weißt, spielt die Latenz eine große Rolle in der Musikproduktion und hat auch in vielen anderen Bereichen unseres Lebens einen großen Einfluss auf unser Arbeiten und Wahrnehmen. Die Übertragung von Daten und Signalen ist in vielen Anwendungen ein wichtiger Faktor.
Wenn Du mehr über die Latenzzeit und deren Optimierung erfahren möchtest, kannst Du nun unseren Ratgeber zum Thema Latenz verbessern lesen.
Haben wir dir geholfen, Latenzen besser zu verstehen? Hast Du noch Anmerkungen? Schreib es gerne in die Kommentare.
zu 'Die Latenz in der Musikproduktion: Was ist Latenzzeit?'
Felix Eckhardt 30. Dez 2008 11:06 Uhr
Toller Beitrag. Danke :)
Aber sind 1/340 sind 2.9 ms statt 2/9 ms = 0.2222 ms?
Grüße
Felix
Felix Eckhardt 30. Dez 2008 11:07 Uhr
Mein Gott, was schreib ich denn da? Das sollte heißen:
Aber sind 1/340 nicht 2.9 ms? Statt 2/9 ms = 0.2222 ms?
Grüße
Felix
Carlos (delamar) 30. Dez 2008 11:27 Uhr
Hallo Felix, vielen Dank für den Hinweis.
Du hast natürlich recht:
1 = 340 m/s
1 s = 340 m
1/340 s = 1m
0,0029411 s ~ 2,9 ms = 1m
Hab das / jetzt gegen das korrekte , ausgetauscht im Artikel.
kurt 31. Dez 2008 03:38 Uhr
Großartiger Artikel für Anfänger wie mich. Vielen Dank, delamar!
Mattis 03. Jan 2009 14:51 Uhr
Interessanter Artikel, mir war nicht bewusst, dass die Latenz auch außerhalb des Computers eine so große Rolle spielt.
Danke
halil 20. Jan 2009 23:00 Uhr
Echt informativer Artikel! Hab schon einiges über das Thema gelesen. War aber selten so schön verständlich wie dieser Beitrag.
1000DANK!
Rolle 08. Feb 2009 14:10 Uhr
Super geschrieben. Überhaupt eine tolle Seite! Bitte weiter so:
Vielen dank!
dr_gruenspan 30. Apr 2009 22:56 Uhr
Echt coole Seite mann. ganz grosses lob.
Immer wenn ich probleme hab schau ich hier zuallererst nach...hehe
gruß und danke für die mühe
Checkoff 25. Mai 2009 03:06 Uhr
..da wär aber wikipedia ne bessere adresse !
dj Putin 16. Aug 2009 06:01 Uhr
checkoff ist hier wohl der comment-hater :D ich glaube ich hab delamar zu einem großen teil durchgelesen (bis dato existierende artikel) und ich lese diesen namen nicht zum ersten mal- immer gepaart mit einer prise "delamar ist garnicht so toll" :D
wenn man es sonstwo besser verstehen kann (was ich bezweifle) oder es sonstwo viel detailierter steht (was einem anfänger nun echt NICHT weiter hilft), warum hälst du dich dann hier so lange und oft auf?
für mich als anfänger ist diese seite bares gold wert! macht weiter so!!!
timchen 30. Jan 2010 17:59 Uhr
Wie sieht denn die Lösung beim Orchester aus? Das würd mich mal brennend interessieren. ;)
Macht weiter so, tolle Seite für einen wie mich, der irgendwann, wenn er erwachsen ist, gern Musikproduzent werden würde. ^^
Benjamin 24. Mrz 2010 15:53 Uhr
Beim Orchester wird das Problem durch einen Dirigenten gelöst. ;)
Oder In-Ear-Monitoring?
hanswurst freiburg 19. Mrz 2012 22:03 Uhr
also beim arbeiten mit software IMMER kopfhörer/inears benutzen (mein langjährige erfahrung)
... einfach mal ausprobieren!
DJ Sven Cuber 17. Jun 2015 16:22 Uhr
Mal eine Frage, ich hoffe ich bekomme möglichst schnell eine Antwort, auch wenn der Artikel schon etwas älter ist.
Nur von der Logik her, wenn ich in der Konfigurationssoftware meines Interfaces eine Latenz von 10 ms einstelle, beträgt dann die Verzögerung von einem Instrument, was ich in eines der Inputs spiele, dann durch die DAW und dann auf die Monitore läuft, nicht 20 ms, also das doppelte? Weil ich denke mir, dass die 10 ms nur für einen Weg, also rein oder raus stehen? Oder sehe ich das falsch?
LG Sven Cuber ;)
Michael 17. Feb 2021 16:17 Uhr
Ein hervorragender Beitrag. Unter diesem Gesichtspunkt habe ich Instrumente noch nie betrachten. Ich denke, das Instrument mit der größten natürlichen Latenz ist die Kirchenorgel. Bei 10 m Entfernung zur Orgelpfeife haben wir schon knapp 30 ms Latenz ohne Berücksichtigung der gesamten Tonerzeugung vor der Pfeife. Das erklärt die besondere Schwierigkeit im Spielen der Orgel. Eine Orgel spielt sich nämlich wie ein nasser Sack (ähnlich wie sich ein Jumbo Jet fliegt). Nochmal: Ein hervorragender Artikel!
Bernhard Feiten 24. Mrz 2023 07:16 Uhr
Der Absatz "Internet" ist ein bisschen sehr schlicht gehalten.
Vermutlich ist die Übertragungsrate der DSL-Verbindung gemeint. Die Übertragungsrate hat einen Einfluss auf die Latenz, aber die Qualität der Leitung ist noch wichtiger. Vor allem, wenn Datenpakete verloren gehen und erneut übertragen werden müssen, wächst die Latenz stark an. Stichwort Quality of Service (QoS).
Überlicherweise ist die Latenz für DSL Verbindungen sehr gering. Aber wegen Stau bei der Übertragung kommt es zu Verzögerungen.
Interessant wäre es in dem Zusammenhang auf Software zum Live-Jamming hinzuweisen, z.B. Jamulus.