Bernie Grundman Interview Teil 2
Analog vs. Digital Mastering

Analog vs. Digital Mastering - Bernie Grundman Interview (Teil 2)

Die Wahl des CD-Rohlings spielt beispielsweise eine enorme Rolle für die Qualität der Reproduktion. Ich frage nach der wissenschaftlichen Begründung für den unterschiedlichen Klang von Rohlingen und Kopien von Digitaldaten. Lässt sich der unterschiedliche Klang in Parametern widerspiegeln? Gibt es Parameter, die unser Ohr erfassen kann, der Messtechnik aber nicht bekannt oder nicht erfassbar sind? Leider hat Bernie hierfür keine Antworten parat. Er vermutet, dass die Unterschiede so subtil sind, dass sie messtechnisch nicht erfassbar sind.
“There is some kind of unknown factor here” – “da ist ein unbekannter Faktor im Spiel.”
Bernie erzählt weiter: “Wir haben vier identische Audioworkstations (von Cube-Tec) miteinander verglichen und alle erzeugen unterschiedlich klingende Master.”“Everything makes a difference!” – “Jedes Detail macht einen Unterschied aus. Wir haben im Presswerk 12 Monoliner (CD-Pressen) miteinander verglichen und vermeintlich identische CDs angepresst und Vergleichstests durchgeführt. Alle klangen unterschiedlich. Zwei Monoliner klangen am Besten und die wurden dann für die CD-Pressung verwendet.”“Oft glaube ich nicht, was mir Menschen aus der Audioindustrie erzählen. Ich gehe nur nach meinen Ohren, weil viele Dinge, die auf den Produkt-Spezifikationen großartig aussehen, in der Praxis nicht so großartig klingen.”[caption id="attachment_10609" align="alignnone" width="560" caption="Analog vs. Digital Masatering - Bernie Grundman Interview"]Analog vs. Digital Masatering - Bernie Grundman Interview[/caption]Wie gehst Du mit dem Konkurrenzkampf um das lauteste Master um?“We have to deal with that, because the clients want that”! - "Wir haben uns damit zu arrangieren, weil die Kunden es so wünschen.” Wenn Bernie es geschafft hat, einen Kunden bei der Masteringsession davon zu überzeugen, dass die Aufnahme bereits fantastisch klingt und man die Lautheit kaum anheben sollte, dann ist es fast immer so, dass die Kunden am nächsten Tag entsetzt anrufen, weil sie es mit anderem Material verglichen haben, das lauter gemastert ist und bestehen darauf, es ebenso laut haben zu wollen. “Wir versuchen das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen und eine große Lautheit bei bestmöglicher Erhaltung der wahrgenommenen Dynamik zu erzeugen”.

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Bernie bestätigt meine Beobachtung, dass analoges Musik Equipment auf Mischungen mit zu hoher Dichte oft unvorteilhaft reagiert und die Klangqualität manchmal verschlechtert. Er begründet das damit, dass insbesondere analoge Kompressoren zu langsam für bereits überkomprimiertes Material sind und dadurch viele Transienten verloren gehen. Hier höre ich durch, dass für diesen Teil der Arbeit doch gerne auf die Bearbeitung in der digitalen Domain zurückgegriffen wird.Auf Nachfrage bringe ich in Erfahrung, dass hierfür eine Einzelanfertigung eines Kompressors aus dem Hause Lavry zum Einsatz kommt. Davor wird manchmal der Loudness Maximizer aus dem Audio Cube verwendet (Weiterentwicklung des VST-Plugins ME Loudness Maximizers von Steinberg, der schon lange nicht mehr erhältlich ist, jedoch noch gute Dienste leistet).Bernie Grundman selbst benutzt am liebsten eine Kombination aus analoger Kompression und Limiting mit einem anschließenden Brickwall-Limiter auf digitaler Ebene (Lavry). Wenn Material besonders sensibel in Bezug auf harmonische Verzerrung ist, verwendet er alle drei Stufen (analoge Kompression, Loudness Maximizer und Lavry).

 

Zurück zum Thema “Lautheit”. Bernie Grundman: “Wir versuchen mit unserem System einen so sauberen Sound zu fahren, dass trotz hoher Lautheit dieselbe Wahrnehmung an Musikalität und Dynamik übrig bleibt, damit die Ergebnisse in Bezug auf die Lautheit den Marktwünschen entsprechen. Je sauberer das verwendete System arbeitet, desto höher ist die Integrität der einzelnen Instrumente im Endresultat. Verglichen mit vielen anderen Masterings am Markt haben wir eine gewisse Art an Detailtreue und Natürlichkeit im Topendbereich, auch wenn die Master sehr laut sind. “
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“Am Ende wären die Master natürlich schöner, wenn sie nicht so stark komprimiert wären - aber diesen Purismus können wir uns nicht erlauben. Wir wären aus dem Geschäft. Unglücklicherweise bedarf jede Art von Geschäft eine gewisse Kompromissbereitschaft. Wir vermeiden jedoch größere Kompromisse zu machen als gerade nötig.”“Neuerdings haben wir einige wenige Kunden, bei denen tatsächlich eine neue Tendenz zu mehr Dynamik auszumachen ist. Ich finde das sehr mutig und wünsche mir, dass sich mehr Produzenten dazu trauen würden, dynamischere CDs auf den Markt zu bringen. Auf der anderen Seite kommen Hip-Hop Künstler, denen wir genau zeigen, wo die kritische Grenze zwischen einem cleanen Master und einem verzerrten Master liegt und meistens wollen sie das verzerrte Master. Gerade bei so bassreicher Musik ist es schwer, eine große Lautheit zu erzeugen, ohne Verzerrungsartefakte zu erhalten.”Mit welchem Headroom fahrt ihr die Brickwall-Limiter, respektive die CD-Master? Bernie Grundman: “Minus 0,1 dB/FS (SPPM)”Wie stellst Du Dich auf die sehr unterschiedlichen Musik Genres ein, die Du zu bearbeiten hast? Bernie Grundman: “In meinen Seminaren betone ich, wie wichtig Unvoreingenommenheit für einen Mastering-Engineer ist. Wenn man an einen neuen Auftrag herangeht, sollte man völlig offen sein und nicht sagen, das ist Rock und daher muss es so und so klingen. Unvoreingenommenheit ist sehr wichtig.”
Unvoreingenommenheit ist sehr wichtig!
Hier ist noch eine abschließende Information für Vinyl-Fetischisten: Die Bernie Grundman Studios verfügen über zwei Vinyl-Schneidemaschinen, die rund um die Uhr ausgebucht sind. Bernie Grundman: “Vinyl-Mastering ist nach wie vor ein wichtiges Business für uns, das sehr gefragt ist.”

 

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Resümee zum Interview mit Mastering-Legende Bernie Grundman

Eine journalistische Tugend besagt, dass Journalismus so objektiv wie möglich sein soll und die persönliche Meinung des Autoren untergeordnet ist. Zum Glück bin ich Engineer und kein Journalist. Daher erlaube ich mir einige Kommentare zu Bernie Grundman´s Äußerungen:Zuerst fallen die Gemeinsamkeiten mit einem guten „Mastering in the Box“-Studio auf: Ein importiertes Audiofile, das über gute Wandler auf eine gute Abhöre in einem ebenso gut klingenden Raum abgespielt wird. Das entspricht sicherlich in gleichem Maße dem Anspruch, als erstes das angelieferte Material so zu reproduzieren, wie es ist.Auf digitaler Ebene sind dabei eher weniger potenziell manipulierende Faktoren zu erwarten als auf analoger Ebene. Wie Sie im Buch in meinen Vorschlägen für eine optimale Arbeitsweise lesen können, ähnelt sich auch die Herangehensweise bei der Kompression (und ebenso beim EQing). Behutsames Vorgehen in mehreren Stufen führt zu einem Ziel mit geringst möglichem Schaden (Lautheit versus Musikalität und Dynamik).Auch wenn Bernie Grundman´s Präferenzen traditionell bedingt in der analogen Bearbeitung liegen, lässt sich durchhören, dass auch er auf die gleichen Mittel wie das „Mastering in the Box“-Studio zurückgreifen muss, um den Marktwünschen nach möglichst großer Lautheit gerecht zu werden. Analoge Technik alleine bringt den Mastering-Engineer hier nicht an das Ziel und Bernie Grundman nutzt eine Symbiose aus analoger und digitaler Welt.Die Sorgfalt und Unvoreingenommenheit sind ebenfalls Tugenden, die auch dem „digitalen“ Mastering-Engineer zu eigen sein sollten.Einen wichtigen Tipp sollten wir ebenfalls auf das “Mastering in the Box” übertragen: das gelegentliche konsequente Vergleichen unterschiedlicher Geräte (Plugins) gleicher Gerätegattung im Hinblick auf die klanglichen Qualitäten. Das erlaubt die Auswahl eines abgegrenzten Fundus an Geräten, von denen wir genau wissen, was wir zu erwarten haben und was nicht.Wissen Sie genau, welcher Ihrer Brickwall-Limiter welche Klangeigenschaften besitzt und die Transienten ab wie viel dB Absenkung verfälscht oder vielleicht doch Overs durchlässt? Im Plugin-Kapitel finden Sie Anregungen zum Austesten Ihrer Plugins.Bei allem Respekt vor Bernie Grundman´s Lebenswerk und Erfahrungsschatz möchte ich mich auch kritisch äußern: Bernies “Everything makes a difference” Philosophie hat auch eine verunsichernde Komponente, die ich persönlich in die Schublade “Hollywood Entertainment mit Marketing Sideeffekt” stecke. Ich fange jedenfalls nicht an, fünf Workstations zu bauen, um nur auf der besten zu arbeiten und ich werde auch keine CD auf zwölf unterschiedlichen Fertigungsstraßen herstellen lassen, um nur noch auf der besten Maschine vervielfältigen zu lassen.Ich lege Wert darauf, das Mastering zu entmystifizieren und jedem, der genug handwerkliches Wissen, Erfahrung und Geschmack mitbringt, gutes Mastering zu ermöglichen. Seien Sie kritisch, wenn Sie tatsächlich feststellen, dass in einer Situation eine digitale Kopie vielleicht anders klingt und machen Sie sich dann auf die Fehlersuche. Seien Sie jedoch nicht so verunsichert, dass Sie bei jeder digitalen Generation nach Verlusten suchen. Das wäre das unwahrscheinliche Ende der digitalen Audio-Welt.

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Vom Autor dieses Artikels sind u.a. die DVD-Serien „Internal Mixing“ und „Audio Mastering“ erschienen, die auf www.AudioTechKnowledge.com erhältlich sind. Friedemann Tischmeyer hat ebenfalls an der umfangreichen DVD-Trilogie „Art & Science of Sound Recording“ von Alan Parsons mitgewirkt. Das derzeit vergriffene Mastering Buch wird ab Herbst 2011 als stark überarbeitete und erweiterte Ausgabe in deutscher Sprache erscheinen.

Analog vs. Digital Masatering - Bernie Grundman Interview

Analog vs. Digital Masatering - Bernie Grundman Interview

Das hier ist der zweite Teil des Bernie Grundman Interviews zum Thema Analog vs. Digital Mastering, das von unserem Freund und Mastering-Engineer Friedemann Tischmeyer gemacht wurde. Im zweiten Teil geht es dann um die Philosophie des Mastering und…ach, lies doch einfach selbst…


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Analog vs. Digital Mastering – Bernie Grundman Interview (Teil 2)

Die Wahl des CD-Rohlings spielt beispielsweise eine enorme Rolle für die Qualität der Reproduktion.
Ich frage nach der wissenschaftlichen Begründung für den unterschiedlichen Klang von Rohlingen und Kopien von Digitaldaten. Lässt sich der unterschiedliche Klang in Parametern widerspiegeln? Gibt es Parameter, die unser Ohr erfassen kann, der Messtechnik aber nicht bekannt oder nicht erfassbar sind? Leider hat Bernie hierfür keine Antworten parat. Er vermutet, dass die Unterschiede so subtil sind, dass sie messtechnisch nicht erfassbar sind.

“There is some kind of unknown factor here” – “da ist ein unbekannter Faktor im Spiel.”

Bernie erzählt weiter: “Wir haben vier identische Audioworkstations (von Cube-Tec) miteinander verglichen und alle erzeugen unterschiedlich klingende Master.”

“Everything makes a difference!” – “Jedes Detail macht einen Unterschied aus. Wir haben im Presswerk 12 Monoliner (CD-Pressen) miteinander verglichen und vermeintlich identische CDs angepresst und Vergleichstests durchgeführt. Alle klangen unterschiedlich. Zwei Monoliner klangen am Besten und die wurden dann für die CD-Pressung verwendet.”

“Oft glaube ich nicht, was mir Menschen aus der Audioindustrie erzählen. Ich gehe nur nach meinen Ohren, weil viele Dinge, die auf den Produkt-Spezifikationen großartig aussehen, in der Praxis nicht so großartig klingen.”

Analog vs. Digital Masatering - Bernie Grundman Interview

Analog vs. Digital Masatering - Bernie Grundman Interview

Wie gehst Du mit dem Konkurrenzkampf um das lauteste Master um?

“We have to deal with that, because the clients want that”! – “Wir haben uns damit zu arrangieren, weil die Kunden es so wünschen.” Wenn Bernie es geschafft hat, einen Kunden bei der Masteringsession davon zu überzeugen, dass die Aufnahme bereits fantastisch klingt und man die Lautheit kaum anheben sollte, dann ist es fast immer so, dass die Kunden am nächsten Tag entsetzt anrufen, weil sie es mit anderem Material verglichen haben, das lauter gemastert ist und bestehen darauf, es ebenso laut haben zu wollen. “Wir versuchen das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen und eine große Lautheit bei bestmöglicher Erhaltung der wahrgenommenen Dynamik zu erzeugen”.

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Bernie bestätigt meine Beobachtung, dass analoges Musik Equipment auf Mischungen mit zu hoher Dichte oft unvorteilhaft reagiert und die Klangqualität manchmal verschlechtert. Er begründet das damit, dass insbesondere analoge Kompressoren zu langsam für bereits überkomprimiertes Material sind und dadurch viele Transienten verloren gehen. Hier höre ich durch, dass für diesen Teil der Arbeit doch gerne auf die Bearbeitung in der digitalen Domain zurückgegriffen wird.

Auf Nachfrage bringe ich in Erfahrung, dass hierfür eine Einzelanfertigung eines Kompressors aus dem Hause Lavry zum Einsatz kommt. Davor wird manchmal der Loudness Maximizer aus dem Audio Cube verwendet (Weiterentwicklung des VST-Plugins ME Loudness Maximizers von Steinberg, der schon lange nicht mehr erhältlich ist, jedoch noch gute Dienste leistet).

Bernie Grundman selbst benutzt am liebsten eine Kombination aus analoger Kompression und Limiting mit einem anschließenden Brickwall-Limiter auf digitaler Ebene (Lavry). Wenn Material besonders sensibel in Bezug auf harmonische Verzerrung ist, verwendet er alle drei Stufen (analoge Kompression, Loudness Maximizer und Lavry).

 

Zurück zum Thema “Lautheit”.

Bernie Grundman: “Wir versuchen mit unserem System einen so sauberen Sound zu fahren, dass trotz hoher Lautheit dieselbe Wahrnehmung an Musikalität und Dynamik übrig bleibt, damit die Ergebnisse in Bezug auf die Lautheit den Marktwünschen entsprechen. Je sauberer das verwendete System arbeitet, desto höher ist die Integrität der einzelnen Instrumente im Endresultat. Verglichen mit vielen anderen Masterings am Markt haben wir eine gewisse Art an Detailtreue und Natürlichkeit im Topendbereich, auch wenn die Master sehr laut sind. “


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“Am Ende wären die Master natürlich schöner, wenn sie nicht so stark komprimiert wären – aber diesen Purismus können wir uns nicht erlauben. Wir wären aus dem Geschäft. Unglücklicherweise bedarf jede Art von Geschäft eine gewisse Kompromissbereitschaft. Wir vermeiden jedoch größere Kompromisse zu machen als gerade nötig.”

“Neuerdings haben wir einige wenige Kunden, bei denen tatsächlich eine neue Tendenz zu mehr Dynamik auszumachen ist. Ich finde das sehr mutig und wünsche mir, dass sich mehr Produzenten dazu trauen würden, dynamischere CDs auf den Markt zu bringen. Auf der anderen Seite kommen Hip-Hop Künstler, denen wir genau zeigen, wo die kritische Grenze zwischen einem cleanen Master und einem verzerrten Master liegt und meistens wollen sie das verzerrte Master. Gerade bei so bassreicher Musik ist es schwer, eine große Lautheit zu erzeugen, ohne Verzerrungsartefakte zu erhalten.”

Mit welchem Headroom fahrt ihr die Brickwall-Limiter, respektive die CD-Master?
Bernie Grundman: “Minus 0,1 dB/FS (SPPM)”

Wie stellst Du Dich auf die sehr unterschiedlichen Musik Genres ein, die Du zu bearbeiten hast?
Bernie Grundman:
“In meinen Seminaren betone ich, wie wichtig Unvoreingenommenheit für einen Mastering-Engineer ist. Wenn man an einen neuen Auftrag herangeht, sollte man völlig offen sein und nicht sagen, das ist Rock und daher muss es so und so klingen. Unvoreingenommenheit ist sehr wichtig.”

Unvoreingenommenheit ist sehr wichtig!

Hier ist noch eine abschließende Information für Vinyl-Fetischisten: Die Bernie Grundman Studios verfügen über zwei Vinyl-Schneidemaschinen, die rund um die Uhr ausgebucht sind. Bernie Grundman: “Vinyl-Mastering ist nach wie vor ein wichtiges Business für uns, das sehr gefragt ist.”

 

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Resümee zum Interview mit Mastering-Legende Bernie Grundman

Eine journalistische Tugend besagt, dass Journalismus so objektiv wie möglich sein soll und die persönliche Meinung des Autoren untergeordnet ist. Zum Glück bin ich Engineer und kein Journalist. Daher erlaube ich mir einige Kommentare zu Bernie Grundman´s Äußerungen:

Zuerst fallen die Gemeinsamkeiten mit einem guten „Mastering in the Box“-Studio auf: Ein importiertes Audiofile, das über gute Wandler auf eine gute Abhöre in einem ebenso gut klingenden Raum abgespielt wird. Das entspricht sicherlich in gleichem Maße dem Anspruch, als erstes das angelieferte Material so zu reproduzieren, wie es ist.

Auf digitaler Ebene sind dabei eher weniger potenziell manipulierende Faktoren zu erwarten als auf analoger Ebene. Wie Sie im Buch in meinen Vorschlägen für eine optimale Arbeitsweise lesen können, ähnelt sich auch die Herangehensweise bei der Kompression (und ebenso beim EQing). Behutsames Vorgehen in mehreren Stufen führt zu einem Ziel mit geringst möglichem Schaden (Lautheit versus Musikalität und Dynamik).

Auch wenn Bernie Grundman´s Präferenzen traditionell bedingt in der analogen Bearbeitung liegen, lässt sich durchhören, dass auch er auf die gleichen Mittel wie das „Mastering in the Box“-Studio zurückgreifen muss, um den Marktwünschen nach möglichst großer Lautheit gerecht zu werden. Analoge Technik alleine bringt den Mastering-Engineer hier nicht an das Ziel und Bernie Grundman nutzt eine Symbiose aus analoger und digitaler Welt.

Die Sorgfalt und Unvoreingenommenheit sind ebenfalls Tugenden, die auch dem „digitalen“ Mastering-Engineer zu eigen sein sollten.

Einen wichtigen Tipp sollten wir ebenfalls auf das “Mastering in the Box” übertragen: das gelegentliche konsequente Vergleichen unterschiedlicher Geräte (Plugins) gleicher Gerätegattung im Hinblick auf die klanglichen Qualitäten. Das erlaubt die Auswahl eines abgegrenzten Fundus an Geräten, von denen wir genau wissen, was wir zu erwarten haben und was nicht.

Wissen Sie genau, welcher Ihrer Brickwall-Limiter welche Klangeigenschaften besitzt und die Transienten ab wie viel dB Absenkung verfälscht oder vielleicht doch Overs durchlässt? Im Plugin-Kapitel finden Sie Anregungen zum Austesten Ihrer Plugins.

Bei allem Respekt vor Bernie Grundman´s Lebenswerk und Erfahrungsschatz möchte ich mich auch kritisch äußern: Bernies “Everything makes a difference” Philosophie hat auch eine verunsichernde Komponente, die ich persönlich in die Schublade “Hollywood Entertainment mit Marketing Sideeffekt” stecke. Ich fange jedenfalls nicht an, fünf Workstations zu bauen, um nur auf der besten zu arbeiten und ich werde auch keine CD auf zwölf unterschiedlichen Fertigungsstraßen herstellen lassen, um nur noch auf der besten Maschine vervielfältigen zu lassen.

Ich lege Wert darauf, das Mastering zu entmystifizieren und jedem, der genug handwerkliches Wissen, Erfahrung und Geschmack mitbringt, gutes Mastering zu ermöglichen. Seien Sie kritisch, wenn Sie tatsächlich feststellen, dass in einer Situation eine digitale Kopie vielleicht anders klingt und machen Sie sich dann auf die Fehlersuche. Seien Sie jedoch nicht so verunsichert, dass Sie bei jeder digitalen Generation nach Verlusten suchen. Das wäre das unwahrscheinliche Ende der digitalen Audio-Welt.

Workshop auf DVD

Erfahre noch mehr über das Thema Audio Mastering von Profi Friedemann Tischmeyer. Kaufe jetzt den Mastering Workshop auf DVD bei Amazon.
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Vom Autor dieses Artikels sind u.a. die DVD-Serien „Internal Mixing“ und „Audio Mastering“ erschienen, die auf www.AudioTechKnowledge.com erhältlich sind. Friedemann Tischmeyer hat ebenfalls an der umfangreichen DVD-Trilogie „Art & Science of Sound Recording“ von Alan Parsons mitgewirkt. Das derzeit vergriffene Mastering Buch wird ab Herbst 2011 als stark überarbeitete und erweiterte Ausgabe in deutscher Sprache erscheinen.

Lesermeinungen (12)

zu 'Bernie Grundman Interview Teil 2: Analog vs. Digital Mastering'

  • Patrick   10. Jul 2011   11:30 UhrAntworten

    Vielen Dank für den Einblick in Bernies Welt.
    Was ich nachvollziehen kann, ist der Klangunterschied zwischen interner und externer Festplatte. Hab's gestern getestet und war doch sehr überrascht, dass das gleiche digitale File von der internen Platte besser klingt, als von der externen!

    Ansonsten würde ich Bernies "Everythings makes a difference"-Philosophie nicht abwerten wollen, ohne es selbst getestet zu haben. Man kann es sicher auch übertreiben, aber ich persönlich bin selbst immer auf der Suche nach best möglicher Qualität und habe schon so manche Überraschung erlebt durch persönliches Testen. Z.B. bei analogen, digitalen und LS-Kabeln, Stromversorgung etc.

    ... wenn man dabei die Musik und das Gefühl um das es letztendlich geht dabei weiterhin im Vordergrund hält, finde ich es durchaus gut sich damit zu beschäftigen!

  • Tropper   10. Jul 2011   14:31 UhrAntworten

    "Was ich nachvollziehen kann, ist der Klangunterschied zwischen interner und externer Festplatte. Hab’s gestern getestet und war doch sehr überrascht, dass das gleiche digitale File von der internen Platte besser klingt, als von der externen!"

    Sehr geil! :)

    PS: Mag übrigens an der Verkabelung liegen. Hast Du mal FW und USB verglichen?! ;)

  • Patrick   10. Jul 2011   17:35 UhrAntworten

    Meiner Meinung liegt es an der Stromversorgung. Ein USB-Stick klingt übrigens noch schlechter. Sollte jeder für sich selbst entscheiden ...

  • Phunkateer   11. Jul 2011   08:09 UhrAntworten

    "Was ich nachvollziehen kann, ist der Klangunterschied zwischen interner und externer Festplatte."

    Hui. Das ist ungefähr so als ob man über ein Buch sagt: "Die Story ist viel besser wenn das Buch im Bücherregal gestanden hat und nicht auf dem Couchtisch."

  • polyaural   11. Jul 2011   16:18 UhrAntworten

    Ich habe die Unterschiede zwar nicht getestet, aber wer den Verwaltungsoverhead von USB* kennt, wird diese Schnittstelle nicht mehr für Audio verwenden.

    Ich kann das schon nach vollziehen …

    ___________
    * Übrigens hat auch FireWire Overhead, aber bei weitem nicht so viel. Ich schätze, die Klangunterschiede sind in den eingeschobenen Verwaltungsbits zu suchen.

  • Patrick   11. Jul 2011   17:39 UhrAntworten

    Ich kann nur jedem empfehlen es selbst zu testen :-)

  • Phunkateer   12. Jul 2011   16:26 UhrAntworten

    Tut mir leid aber so lange wir vom Wiedergeben von Audiofiles (bspw. WAV) reden, ist es Quatsch, dass dasselbe File von der internen Festplatte anders klingt wie von USB.

    Ein File ist ein Container für Inhalte. WAV Files sind Container für Audio-Inhalte. Word-Files sind Container für Textdokumente. Genauso wie sich der Inhalt eines Word-Dokuments NICHT ändert wenn man es von der internen Festplatte auf eine externe kopiert, ändert sich auch der Inhalt eines WAV-Files nicht. Es kann also nicht schlechter klingen. Genauso wie auch ein Photo von der USB Platte nicht anders aussieht wie von der internen Platte.

    Einen großen Einfluss hingegen hat die menschliche Wahrnehmung und Erwartungshaltung.

    Vielleicht ist das ja auch mal was, was man im Podcast besprechen könnte.

    • polyaural   12. Jul 2011   19:44 UhrAntworten

      Du hast vollkommen Recht. Die Datei hat sich nicht geändert. Aber der Datenstrom kann sich durchaus ändern. Wenn ich ein Word-Dokument öffne, und der Universal-Serial-Bus checked während des Datenstroms von der Festplatte in den RAM kurz ob es neue Geräte im Baum gibt, dann zeigt sich das durch eine kaum merkliche, aber messbare Verzögerung. Wenn ich nun eine Audio-Datei durch den USB schicke, dann hat die nicht die Vollmacht die Baumprüfung zu unterbinden. Es mögen nur ein paar Bit sein die da kurz angehalten werden, das mag nicht als auffällige Änderung der Klangqualität vernommen werden, aber im direkten Vergleich ist das sicher zu hören.

      Ich vermute hier nur. Ich weiß es genau so wenig wie die Technik-Crew des Herrn Grundman. Aber es leuchtet mir ein, immerhin …

  • Patrick   12. Jul 2011   18:11 UhrAntworten

    Bernie hat nicht gesagt, dass der Inhalt sich ändert, aber es klingt definitiv anders. Wir haben es zu viert im Mastering Studio getestet und waren selbst völlig verblüfft. Erwartet hatten wir das ganz sicher nicht. Meiner Meinung nach liegt es an der Stromversorgung und an der digitalen Kabelverbindung, die mehr Jitter zu erzeugen scheinen, anders kann ich es mir nicht erklären.
    Das eine bestimmte Erwartungshaltung zu oft gewünschten Ergebnissen führt ist prinzipiell richtig, aber in diesem Fall hatte es sowie niemand erwartet.
    Hiermit lade ich offiziell Carlos zu mir ins Mastering Studio nach Wiesbaden ein und er darf mit seinen goldenen Ohren selbst entscheiden ob etwas dran ist oder nicht. Von mir aus auch im dreifach Blindtest mit verbundenen Augen ;-)
    Carlos, Du bist doch in Darmstadt oder ? Ist doch nur ein Katzensprung ...

  • feelklang / Steffen Brucker   13. Jul 2011   12:34 UhrAntworten

    Jetzt muss ich mich auch mal in die Diskussion einklinken. Ich habe einen USB-Stick an eine Mac-Tastatur angeschlossen und ein File von dort mit Quicktime und das gleiche von der internen HD abgespielt - und ich höre absolut KEINEN Unterschied. Ich denke es hängt immer von dem jeweiligen Setup ab.

    Was allerdings wirklich einen z.T. großen Einfluss hat ist die Verkabelung. Ein Kabel sollte immer zum Medium passen (z.B. sym & unsym etc.). Da muss es auch nicht immer das teuerste sein. Ich konnte auch feststellen, dass das RME FireFace über mein Mac besser klingt als über PC Win7. Wie auch immer ...

    Zum Fazit: Ich finde Bernie's Akribie nicht übertrieben, aber NUR im Verhältnis zu seinen Preisen ;-)

  • Dominik   19. Jul 2011   20:14 UhrAntworten

    Schon beim ersten Teil habe ich bei manchen BG-Äußerungen gedacht: "Hat hier gerade irgendwo ein Floh gehustet?" :)

    Ich will gerne glauben, dass Leute wie er die genannten Unterschiede tatsächlich hören (wobei das erst in einem Doppelblindtest wirklich nachvollziehbar wäre).

    Die Frage ist nur immer: Wieviel (%) macht das vom Endresultat wirklich aus, was da spitzfindigst verglichen wird? Mit anderen Worten: Selbst wenn BG nur auf 90% seines Resultats kommen würde (was seine Preise sicher mindestens halbieren würde angesichts der absurden Mehrkosten, die überall für die letzten paar Prozent anfallen), wäre er wohl immer noch Weltklasse.

    Und die Musik wäre genau so gut (oder schlecht). Vor allem, weil sie in fast _allen_ Fällen auf suboptimalen Wiedergabegeräten abgespielt wird (wo die Fertigungsstraße nun wirklich keine Rolle mehr spielt, zumal so vieles dann eh in MP3 umgewandelt wird).

    Insofern ist bei solchen Diskussionen immer einige Absurdität dabei, aber was soll's. Solange es Kunden gibt, die das Geld ausgeben, ist es ja völlig in Ordnung, wenn Leute wie BG die Grenzen des Mach- und Hörbaren erkunden.

    Mir gefällt jedenfalls die durchaus nicht blind-gläubige Sichtweise von FT. Gerade bei solchen stark Voodoo-verdächtigen Themen wie "High End" finde ich es immer sehr erfrischend, wenn jemand zwar respektvoll, aber durchaus kritisch und mit einem wissenschaftlichen Hintergedanken (Nachvollziehbarkeit!) versucht, den diversen Meinungen und Mythen auf den Grund zu gehen und sie in eine vernünftige Perspektive zu setzen.

  • Charles   17. Jun 2013   16:19 UhrAntworten

    Ein USB-Stick "klingt" nicht. Es speichert Daten. Und wenn es nicht defekt ist, dann tut es das zu 100% genau. Ich habe ebenfalls Tests mit internen und externen Platten etc gemacht und dann mit einer Software bit für bit verglichen. Es war 100% identisch. @ Woher kommt jetzt Dein anderer Klang? Dies dürfte sehr schwer zu erklären sein. Hast Du wirklich in derselben Bittiefe usw. abgespeichert? - Digitale Daten dürfen sich nicht verändern, egal wo (ausnahme: CD, aber auch da) gespeichert werden. Auch wenn man ein Musikfile übers Internet rund um die Welt zersplittert und wieder zusammengesetzt schickt, ist es immer noch eines: 100% identisch. Die hier diskutierten Unterschiede müssen also von was anderem kommen.

Sag uns deine Meinung!

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