Warum Rammstein die Musikindustrie durchgespielt hat
Rammstein – ein zwiegespaltenes Thema
Rammstein ist eine dieser Bands, ein richtiges Phänomen, das seit fast drei Jahrzehnten erfolgreich ist und es gleichzeitig schafft, sich selbst treu zu sein und sich dennoch stetig weiterentwickelt.
Manche Menschen lieben die Band. Andere können sie partout nicht ausstehen. Aber praktisch jeder kennt sie. Und fast Jeder würde einen Rammstein-Song sofort als solchen erkennen.
Denn Rammstein ist ein echtes Original, das war das erklärte Ziel der Band und das haben sie ohne Zweifel geschafft.
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Es geht weiter mit dem nächsten Album
Nach drei Jahren Funkpause hat Rammstein jetzt ein neues Album am Start und das hat es wieder einmal in sich. Allein die erste Single „Zeit“ hat -zumindest für mich – wieder Maßstäbe gesetzt.
Zugegeben, musikalisch klingt die Single ruhiger als die Songs, die ich bei Rammstein sonst so mag. Der Song hat eine melancholische Stimmung, die mich an manchen Stellen an den Song „Seemann“ der Band erinnert.
Rammsteins neues Album „Zeit“
Am 29.04. veröffentlicht Rammstein ihr neues Album „Zeit“. Elf neue Songs beinhaltet das achte Studioalbum. Nach drei Jahren erscheint „Zeit“ in drei Versionen, nämlich als Standard-CD, als Special-Edition-CD und als Vinyl.
Zeit Song-Liste
- Armee der Tristen
- Zeit
- Schwarz
- Giftig
- Zick Zack
- OK
- Meine Tränen
- Angst
- Dicke Titten
- Lügen
- Adieu
Das Musikvideo dazu ist aber ein echtes Meisterwerk. Die Band dreht im Video die Zeit zurück – alle Szenen laufen rückwärts. Sehr sehenswert – wenn auch so wenig polarisierend wie nie in der Bandgeschichte.
Dazu aber später mehr. Ich möchte erforschen, was diese Band so besonders macht und was das Geheimnis hinter ihrem Erfolg seit der Gründung 1994 und ihrem ersten Album „Herzeleid“ im Jahr 1995 ist.
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Wie die Band Erfolg erlangte
Die deutsche Band Rammstein wurde von bösen Zungen mit allen möglichen Etiketten versehen: stupide, einfältig, auf dem Niveau deutscher Schlager und von dem ein oder anderen wurde die Band sogar als Volltrottel beleidigt.
Aber wenn die Musik wirklich so stupide wäre, wenn die Band tatsächlich so flach wäre: Wie kommt es dann, dass Rammstein seit bald drei Jahrzehnten massiven Erfolg feiert und als eine der ganz wenigen deutschen Acts sogar international erfolgreich sind?
Wo sind denn die anderen großen deutschen Stars auf der weltweiten Bühne? Wer sonst hat hierzulande eine fast 30-jährige Historie aufzuweisen oder gar 20 Millionen Alben seiner eigenen Musik verkauft?
Für mich ist der Kern des internationalen Erfolgs von Rammstein die provokante Natur.
Ja, diese Provokation steckt schon im Bandnamen – eine Anspielung auf den Ort Ramstein, wo 1988 ein Unglück bei einer Flugschau mit Kunstfliegern 70 Tote und 1.000 Verletzte forderte.
Damals stießen mehrere Kunstflieger im Flug zusammen und einer stürzte in die Menge und verursachte viel Leid.
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Auf dem ersten Album der Band provozieren sie gleich weiter in dieselbe Richtung. In dem Song „Rammstein“ singt Frontmann Till Lindemann: „Rammstein, ein Mensch brennt“.
Eine starke Provokation und doch war diese nur der Anfang, wie Du später noch sehen wirst, wenn ich dir einige der krassesten Provokationen der Band aufzeige.
Ihr provokativer Stil
Musikalisch sind Rammstein sehr einfach beschrieben: Harte Gitarrenklänge spielen repetitive Riffs. Diese werden mit elektronischen Sounds, pulsierenden Rhythmen und deutschen Liedtexten gepaart. Dazu kommt ein martialisches Auftreten in Videos, vor allem aber auf ihren Konzerten.
Gewissermaßen bedient das Image der Band die Vorstellung vieler Menschen im Ausland darüber, wie Deutsche wohl so sind.
Zwar hat sich der Stil der Band im Laufe der Zeit etwas geändert, doch die Eckpfeiler sind immer gleich geblieben: Kurze Hooks, meist mit ausdrucksstarken Worten gespickt. Viele Wortwiederholungen, das rollende „R“ beim Singen. Dadurch erkennt man sie immer wieder.
Provokation ist Teil der DNA der Band. Aber diese Provokationen haben in den letzten Jahren etwas abgenommen. Sowohl in der Härte als auch in der Häufigkeit. Vielleicht ein Tribut an das fortschreitende Alter, vielleicht gibt es heutzutage aber auch nicht mehr so viele Tabus, die die Band noch überschreiten könnte.
Wie ich sagte, in ihren Anfängen ist die deutsche Band noch häufiger angeeckt. Aber dennoch: Bis heute schaffte es Rammstein immer wieder, eine Menge negative Kritik für ihre Provokationen hervorzurufen.
Da das gleichzeitig auch eine Menge kostenloser Mundpropaganda nach sich zieht, dürfte das wohl kein Zufall sein.
Die Single Deutschland
Das letzte Album ohne Namen war vielleicht das am wenigsten provokante in der gesamten Bandgeschichte. Dafür hatte es aber das Musikvideo zur Single „Deutschland“ in sich. Es rief zahlreiche Kritiker auf den Plan, die bitterböse Zeilen schrieben und sich entsprechend aufregten. Manch einer wird sagen: zurecht, denn das Musikvideo taucht in das vielleicht größte Tabu der Deutschen ein.
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Im Musikvideo zu „Deutschland“ kann man die Bandmitglieder an einem Galgen hängen sehen, einen Strick um den Hals. Dabei tragen sie eine Kleidung, die die meisten von uns an KZ-Uniform erinnern wird. Und ja. Das ist pikant.
Im Lied selbst geht es um die Gefühle der Band zu ihrem Heimatland und um einen Einblick in die deutsche Geschichte. So ist die Aussage wohl, dass jede positive Eigenschaft ihre eigenen Fehler habe. Und aufgrund dieses Zwiespalts fällt es der Band Rammstein wohl schwer, sich der Heimat vollständig zu verschreiben.
Warum ihre Lieder auf dem Index landeten
Ebenso gewagt war diese Aktion der Band, die etwas weiter zurück im Jahr 2009 stattfand. Damals veröffentlichen Rammstein eine Single mit dem Namen „Pussy“.
Und das Highlight des lyrischen Songtextes klingt so: „Steck Bratwurst in dein Sauerkraut“. Eine, sagen wir mal, interessante Metapher.
Der Clou war aber dieser: Das Musikvideo zur Single wird exklusiv auf einem Erwachsenenunterhaltungsportal veröffentlicht, und das aus gutem Grund.
Im Video gibt es nämlich eine Menge nackter Tatsachen zu sehen, ein paar Szenen mit BDSM und schließlich geht es richtig zur Sache – definitiv nichts für Minderjährige und zartbesaitete Seelen.
Musikalisch war der Song sicherlich nicht gerade ein Highlight und textlich – sprechen wir lieber nicht davon – aber die PR-Aktion war sehr gelungen und hat eine Menge Wellen geschlagen.
Auf den Konzerten der zugehörigen Tour war dann eine riesige Penis-Kanone auf der Bühne im Einsatz. Das war eine weitere Provokation, die in der bisweilen prüden USA nicht gerade auf Gegenliebe gestoßen ist, wie Du dir denken kannst. Zum Glück sind wir in Deutschland nicht ganz so zugeknöpft.
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Oder vielleicht doch, denn bei uns wurde das Album „Liebe ist für alle da“ auf den Index gesetzt von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Im Übrigen war es damit das erste Album, das seit 1987 auf den Index gesetzt wurde.
Die damalige Bundesfamilienministerin und besorgte Bürgerin Uschi von der Leyen hatte die Klage persönlich eingereicht. Die Sado-Phantasie „Ich tu dir weh“ und einige Bilder auf dem Cover hatten sie alarmiert.
Die Geschichten hinter den Songs
Kritiker der Band behaupten, dass Rammstein in ihren Songs die wildesten Stories der Bild-Zeitung verarbeite. Schaut man sich die Titel und besungenen Geschichten in einigen Rammstein-Songs an, könnte man das tatsächlich meinen.
So geht es in dem Song „Mein Teil“ um Kannibalismus – ein Thema, das seinerzeit durch die Medien wie ein Lauffeuer verbreitet wurde.
Der Hintergrund: In Nordhessen tötete ein Mann seinen Bekannten und verspeiste Teile seiner Leiche. Ob „Sein Teil“ dabei war, weiß ich leider nicht. Den Rest hat er dann in Tupperware verpackt und für später eingefroren. Wie jeder gute Hausmann. Das kein Scherz. Das ist tatsächlich passiert.
Auf dem kommenden Rammstein-Album wird die Band der Bild-Zeitung wiederum gerecht. Dort wird ein Song mit dem Titel „Dicke Titten“ zu hören sein.
In den Texten der Band steckt immer eine Menge Zündstoff drin: Mord an der Mutter, Inzest, Allegorien zu Sado-Maso, Sex, eine Menge Blut und früher sogar Verwesung.
Rammsteins einzigartige Livekonzerte
Ein weiterer Baustein für den Erfolg Rammsteins sind ihre martialischen Konzerte. Es wäre wohl nicht gerade verwegen, diese als echte Kunstwerke zu bezeichnen.
Überhaupt sind Kunst und Inszenierung zwei Worte, die bestens zur Band passen. Alles an Rammstein scheint bis in kleinste Detail durchdacht und stringent durchgezogen.
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Die Konzerte der Band sind gigantische Shows, die weltweit ihresgleichen suchen. Eine pompöse Gala für dunkle Gemüter sozusagen.
Ein Beispiel: Zum Song „Mein Teil“ springt Frontmann Till Lindemann im Outfit eines Kochs mit riesigem Messer über die Bühne – und grillt den Keyboarder Flake in einem riesigen Topf.
Beim Song „Bück dich“ werden die Bandmitglieder wie Sklaven an der Kette auf die Bühne getrieben und ausgepeitscht. Oder beim Song „Du hast“ schießt Frontmann Till Lindemann mit einer Bazooka Feuerwerkskörper über die Köpfe des Publikums hinweg.
Überhaupt zieht sich eine Sache durch alle Konzerte und alle Bühnen-Shows der Band seit Anbeginn: sie sind der feuchte Traum eines jeden Pyromanen. Es gibt hitzige Flammen, zischende Feuerfontänen, sprühende Funken und eine Menge Explosionen.
Das Schlusswort zu Rammsteins Erfolg
Und was den Erfolg der Band angeht, halte ich auch noch diese Sache für maßgeblich: Seit der Gründung im Jahr 1994 hat es keinerlei Änderungen am Lineup gegeben. Es sind dieselben sechs Musiker aus der ehemaligen DDR, die Album um Album veröffentlichen und diese martialischen Konzerte spielen.
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Wie Gitarrist Richard Kruspe mal sagte: „Rammstein sind wie eine Beziehung, mehr: Eine Ehe ohne Sex.“ Und dann fügte er noch hinzu: „…da wir keinen Sex miteinander haben, müssen wir eben reden – sehr viel mehr als Ehepaare.“
Das ist sicherlich eine interessante Sichtweise auf die Band, aber im Gegensatz zu echten Ehen, die häufig zerbrechen, funktioniert die Band nach wie vor. Sie ist außerdem eine der ganz wenigen deutschen Ausnahmen, die ihren Erfolg außerhalb Deutschlands gefunden haben.
Und wenn Rammstein die Musikindustrie durchgespielt hat, dann dürfen wir uns jetzt darauf freuen, welche Cheats sie jetzt herausholen werden.