Kolumne
Bühnenbilder – oder wenn die Kreativität des Musikers an die Grenzen stößt
Woher kommt die Langeweile?
Ich trieb mich als leidenschaftliche Musikliebhaberin immer in den ersten oder letzten Reihen herum. Fast immer auf Konzerten von lokalen Bands. Da gab es nicht nur etwas Neues zu hören. Es gab auch wahre Leidenschaft für’s Auge. Singen und Springen bis kein Kleidungsstück mehr trocken war. Das ist keineswegs ein Phänomen aus der Rock- und Metalszene. Das gibt’s auch auf Hiphop Konzerten. Und das macht den ganzen Spaß eines Konzerts aus. Zu erleben und sehen wie Musik lebendig wird – auf der Bühne.
Leider haben mich 95% aller Konzertbesuche in den letzten fünf Jahren zu Tode gelangweilt. Es kam sogar vor, dass ich mich mehr an meinem Bier festhielt als an der Musik. Das Highlight in den letzten Jahren war ein Drummer, der in sein Schlagzeug gestürzt ist. Wow! Unweigerlich stellte sich mir irgendwann die Frage: Was ist anders geworden? Was nehme ich anders wahr?
Es ist immer gleich – auch die Musik
Da liegt der gefallene Groschen: Wenn man sich so intensiv mit Musik beschäftigt, erreicht man irgendwann den Punkt, an dem es einfach nichts Neues mehr gibt. Genre ist Genre ist Genre. Die Weiterentwicklungen innerhalb der verschiedenen Stilrichtungen sind so marginal, dass man sie schlichtweg nicht einmal als neu wahrnimmt. Aber es ist nicht die Musik, die mir weniger gefällt. Es ist das Gesamtpaket.
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Bands und Künstler, die sich im Alltagsoutfit mehr oder minder unbeteiligt auf die Bühne stellen, asynchron mit den Köpfen zum Takt oder eben auf zwei Beinen wackeln. Und die fehlende Bemühung, den Fans und Konzertbesuchern ein Erlebnis zu bieten, ist, was mich langweilt.
Kreativität unter den Musikern hat demnach ein Limit. Und das liegt einzig und allein im Song oder im Album. Wie man seine Musik präsentiert, gehört nicht mehr ins Repertoire. Die Songs werden eben live gespielt und das muss reichen. Schließlich geht’s ja „nur“ um Musik und nicht um Performance-Kunst. Aber wenn kein Musiker mehr dafür sorgt, dass ich mich entertaint fühle, muss ich auch den Musiker nicht mehr live sehen. Da kaufe ich mir die CD, spare mir das Warten in Schlangen und gönne meinen Füßen eine Pause vom ständigen Drauf-Getrete.
Der Nörgel-Kreislauf
Ich bin ein begeisterter Foren- und Facebook-Leser. Einer von der stillen Sorte. Ohne Empörung und Kommentare. Und immer wieder lese ich, dass lokale Bands oder aufsteigende Musiker in immer kleineren Locations spielen und dass selbst dort keine Massen mehr hinströmen. Aber unter all den „Nörglern“ habe ich nicht einmal die Fragestellung entdeckt, die lautet „Was können wir als Band tun, um mehr Fans zu Konzerten zu locken“. Nicht ein einziges Mal.
Schuld sind immer nur andere: Die faulen Konsumenten, die lieber Zuhause sitzen und geizig sind; die Veranstalter, die kein anständiges Honorar zahlen und mit dem Freibier für die Band geizen; die Barbesitzer, die nicht genug Werbung für Veranstaltungen machen; das Internet, weil es dort YouTube gibt und sich jeder Live-Auftritte gratis ansehen kann – ich könnte diese Aufzählung jetzt noch eine ganze Weile fortsetzen. Ohne dass auch nur ein Wort an die Band selbst verschwendet würde.
Was kann ich als Musiker dagegen tun?
Offene und halb-poetische Frage mit einer einfachen Antwort: Gib dir Mühe! Ich erwarte in der Kreisstadt keine Performance im Stil von Lady Gaga und keine Pyrotechnik á la Rammstein. Aber ich erwarte verdammt nochmal, dass sich die Band, zu der ich mich in meinem Feierabend aufraffe, sich Mühe gibt bei dem, was sie mir darbietet. Gute Musik kann ich auch Zuhause hören.
Ich möchte Leidenschaft, etwas für’s Auge, etwas Denkwürdiges, eine lebendige Erinnerung, von der ich meinen Freunden erzählen kann. Ich will nicht, dass der einzige Satz, der mir über die Lippen rinnt, lautet: „Ich war gestern auf dem Konzert von XY“. Ich will sagen können: „Ich war gestern auf dem Konzert von XY und es war so geil – da muss ich wieder hin. Und ihr müsst mitkommen. Das müsst ihr gesehen und gehört haben!“
Eine Idee gegen die Langeweile
Choreographie erwarte ich nicht! Aber ich erwarte eine Szene, eine Geschichte. Ich wünsche mir eine liebevoll gestaltete Bühne. Ich erwarte, dass sich ein Musiker Mühe für mich gibt. Für mich und für die anderen 100 Leute. Und wenn man als Musiker nicht bereit ist, das zu leisten, hat man den falschen Anspruch.
Zu glauben, dass gute Musik reichen würde, ist schlichtweg ein Trugschluss. Das war vielleicht in den 50ern und 60ern so. Aber heute ist die ganze Gesellschaft entertainmentgetrieben. Schon als Babys sind wir Broadcasting gewohnt, bunte Bilder, sich bewegende Bilder, großes Tamtam. Selbst die Krabbeldecke von meinem kleinen Neffen hat mehr visuelle Effekte als jede lokale Bandgröße – und die macht auch Musik!
Ein guter Anfang ist doch mit einem schönen Bühnenbild schon gemacht. Jede Bühne sieht gleich aus – vor allem im lokalen Umfeld. Mit etwas Glück gibt es wechselbare, bunte Lichter. Aber die Bühnen sind immer gleich. Und ich lehne mich mal aus dem Fenster und stelle die Behauptung auf, dass ich zwei Bands aus dem gleichen Genre nicht voneinander unterscheiden könnte, wenn sie sich auf der Bühne abklatschen, während ich draußen rauche.
Für ein schönes Bühnenbild hat niemand Geld? Schwachsinn! Wer so etwas sagt, hat keine Kreativität. Und wer so etwas sagt, schließt von vornherein alle Möglichkeiten zur Verbesserung durch endgültige Verneinung aus. Warum statt „Wir haben kein Geld dafür“ nicht sagen: „Was können wir mit unseren Mitteln erreichen“?. Klingt doch gleich viel angenehmer und es klingt nach dem, was scheinbar keiner mehr hat: Es klingt nach einem Plan.
Bühnenbilder mit wenig Aufwand
Keine Ideen? Prima, ich habe welche. Vor allem habe ich Beispiele und Anregungen, die wenig Geld kosten und trotzdem was hermachen.
Blumen kosten nicht viel, Vasen gibt’s bei Oma im Schrank. Wer richtig clever ist, fragt im örtlichen Blumenladen, ob er die nicht mehr so ganz frischen Sträuße zum Ladenschluss mit einem Rabatt bekommen kann.
Igitt, Blumen?! Nirvana hat’s gerockt, Lady Gaga hat’s gerockt. Warum nicht auch deine Band?
Oder ein bisschen Feuer? Natürlich darf man auf der Bühne nicht einfach rumzündeln. Aber es gibt auch ungefährliche Varianten. Die einfachste ist ein Bildschirm mit einem Kaminfeuer-Video. (Sorry, dass ich dir jetzt Justin Bieber reindrücken muss – aber das Bühnenbild wirkt!)
Und wenn es gar nicht anders geht, kann man wenigstens ein Banner von der Band aufhängen und sich Masken aufsetzen!
Schlussgedanken zur Live-Langeweile
Natürlich ist ein schönes Bühnenbild nicht das Allheilmittel, aber es ist ein Anfang. Es ist das Statement eines Musikers, es ist ein Akt der Wertschätzung und ein Akt der Kreativität – und vor allem anderen ist es ein Stilmittel der Individualität, wenn Du es schaffst eine eigene Idee zu entwickeln, die dich unverwechselbar in deiner Region macht.
Ich will das Genörgel um die sinkenden Zahlen in Sachen Konzertbesucher nicht mehr hören. Ich will Taten sehen und ich will wieder sagen können „Meine Fresse, war das ein geniales Konzert“! Denn wenn die Szene stimmt, stimmt auch das Feeling. Jede gute Geschichte (deine Musik) hat einen Schauplatz.
zu 'Kolumne: Bühnenbilder – oder wenn die Kreativität des Musikers an die Grenzen stößt'
Heiko Heitech 12. Feb 2017 10:23 Uhr
Diese Kolumnen braucht kein Mensch. Podcast braucht der Mensch
Carlos San Segundo 12. Feb 2017 13:00 Uhr
Du findest ganz viele Podcasts auf delamar.tv 🙂
Heiko Heitech 12. Feb 2017 16:28 Uhr
Hab alle schon gehört :-)
Jay 12. Feb 2017 11:36 Uhr
Heiko: Was willst du nun damit sagen?
Zum Artikel: Da ist was dran. Liegt in erster Linie an einer Unzahl Vorschriften, die den Veranstaltungsbereich seit ca. 15 Jahren immer weiter einengen, und an immer höheren Preisen für Bühnen, Geräte, Equipment. Ich mach selber ab und zu Lichtshows für Acts. Viele Acts wünschen sich da tolle Sachen, aber wenn ich denen sage, dass man mit dem (billigen oder eher einfachen) Equipment nun mal weniger hinbekommt, dann schauen die verwundert und sagen halt: Na okay, dann muss das halt reichen...Das ist nur EIN Beispiel und sicher nicht der einzige Grund für das oben Gesagte, stimmt aber.
Uli Hoppert 13. Feb 2017 11:36 Uhr
Immer höhere Preise für Equipment? Echt jetzt? Ich seh den Trend seit Jahren genau entgegengesetzt - der ganze Plunder kostet nix mehr. Sieh dir mal die Tonsparte an, Digitalpulte aus dem Hause Behringer sind der beste Beweis: Funktionsumfang, Abmessungen und Qualität für 2.000 Euro oder weniger, ein analoges Pult mit vergleichbarer Ausstattung hat vor 15 Jahren das 10 - 20fache gekostet, war komplex, anfällig und bei Weitem nicht so komfortabel.
Gleiches Spiel beim Licht. Du brauchst 1.000 DMX-Adressen. Gibts für 399 mit Software, Laptop dran - fertig. Vor 15 Jahren gabs den Scancommander - der kostete damals glaube ich 7.000 im Tourpack und konnte 16 Lampen mit maximal 16 Kanälen - oder sowas in der Art.
Klar ist es auch richtig, dass auch heute Qualität Geld kostet - aber Kreativität hat eben nix mit dem Fixturecount zu tun. Gänsehaut geht auch ohne Materialschlacht - das kommt aber leider viel zu oft viel zu kurz.
Und was die Vorschriften angeht, von denen du sprichst: was genau meinst du da? Und was engt dich ein?
Uli Hoppert 12. Feb 2017 11:54 Uhr
Jaja... und plötzlich haben alle Blumen, Omas Lampen und einen Kamin... wieder langweilig... was also tun? Schauen, wie es die Großen machen und dann kopi... Verzeihung... sich Inspiration holen... Wackellampen und Pyro kosten ja nix mehr, also knall ich mir die Bühne voll. Und noch eine LED Wand - Bitte Gänsehaut! Jetzt!
Klappt nicht? Wie doof - aber das machen doch jetzt alle?
Vor zwei Jahren waren es diese Striplights, letztes Jahe die Sharpys und was kommt in diesem Jahr? Welchem "Trend" rennt dann jede Band nach? Ich fände mal Frontlicht wieder toll! Keine hektischen Wackelshows, sondern ein Set ACLs und gutes Handwerk. Stimmungsvoll und stilsicher! Und bitte: keine Drohnen... Aber Lady Gaga hatte die doch auch? Eben!
Sascha Ende 12. Feb 2017 13:17 Uhr
Guter Artikel
John 12. Feb 2017 15:07 Uhr
Also das Musiker heutzutage zu Langweilern mutiert sind, stimm ich vollkommen zu. Aber das liegt nicht am Bühnenbild. Klar kann das so einiges ausmachen, aber das Hauptproblem liegt glaub ich eher daran das sie mitlerweile unglaubwürdig sind. Ich kauf das niemanden mehr ab das die dass, was die machen, gerne machen. Die Instumentalisten stehen da wie ein abgestellter Besen und der Vocalist versteckt sich brav hinter seinen Mikrofonständer und versucht einigermaßen gut auszusehen....BUUUUH LANGWEILIG!!
Pfeif aufs Bühnenbild, wenn man sieht das die Band/Künstler Spaß hat, hast du auch Spaß, so einfach ist das.
Katja Köhler (delamar) 13. Feb 2017 14:39 Uhr
Da hast du Recht - den Part hab ich mir für den nächsten Teil aufgehoben ;-)
John 14. Feb 2017 13:50 Uhr
Mit dem Thema hättest du anfangen müssen, Bühnenbild ist eher Stufe 2 oder sogar 3 was ein gutes Live Konzert ausmacht ;-D
Kalle Peng 13. Feb 2017 13:27 Uhr
Ich möchte John zustimmen.
Und ja, ich stehe auch oft in der letzten Reihe (wie die Autorin) um die Gesamtszenerie auf mich wirken zu lassen. Allerdings fange ich bei entsprechender Drehzahl auch an, meinen Beitrag zu einem erfolgreichen und abwechslungsreichen Konzert beizutragen, indem ich Klatsche, Pfeife, Kommentiere und ev. bei genügend Freiraum auch tanze. (Das ist der Part, den das Publikum innehat)
Ich bin damit dem langweiligen Publikum, heutzutage eher peinlich, ich habe das Gefühl, dass sich halb so alte Leuts fremdschämen für ein so verhaltensauffälliges, aus der langweiligen Masse Hervortreten.
Ich war in letzter Zeit immer gerne auf so richtig langweiligen Veranstaltungen, wie sie in dem Artikel oben geschildert werden.
Ich habe in der Raucherpause mit den Künstlern eine geraucht und gequatscht, am Ende, nach der 2ten Zugabe hat meine Frau sich ne CD aus dem Eigenverlag gekauft und von allen Bandmitgliedern und signieren lassen.
Die Songs wurden meist sehr humorig anmoderiert, es wurde aus Einwürfen aus dem Publikum, seitens der Band, eingegangen.
Ich bin als Publikum jedenfalls immer bereit, meinen Beitrag zum gelingen eines Konzertes zu geben und
ich gehe nie 'nur' mit der Erwartungshaltung 'Los unterhaltet mich mal!' hin.
Vielleicht sollte sich die Autorin in der Beziehung erst einmal an die eigene Nase fassen.
Jay 14. Feb 2017 11:25 Uhr
Ulli: Es ist ein Riesenunterschied, ob du Licht mit irgendnem Billigprogramm oder ner MA machst. Und ordentliche Heads, die nicht ständig ausfallen oder bei denen die Farbräder klemmen usw., kosten definitiv mehr. Beim Ton Behringer? Dann muss die VA aber schon sehr wenig Anspruch haben, da sind mir A+H oder ne Midas doch lieber...;-) Klar, das Equipment ist beileibe nicht der einzige Faktor, aber besseres gestattet mehr Möglichkeiten. Dass man Kreativität nicht durch Technik ersetzen kann, liegt natürlich auf der Hand.
Uli Hoppert 14. Feb 2017 12:00 Uhr
Jay - ich widerspreche dir da einfach mal (;O) Du hast es im letzten Satz ja schon sehr schön zusammengefasst: Kreativität kann man nicht durch Technik ersetzen. Zudem - ich mach den Unsinn ja schon ein paar Jahre mit und hab in der Werkstatt gefühlt keinen so drastischen Unterschied zwischen "ordentlichem Material" und "Chinakrachern". Ich denke, keine Branche ist so markenblind wie die unsere - das mag zum Teil daran liegen, dass wirklich wirtschaftliches Arbeiten hier noch nicht im Ansatz angekommen ist (wie sonst wäre zum Beispiel die Schieflage zwischen Material und Personal zu erklären - aber das ist ein anderes Thema). Und - mit Verlaub - wo ist denn jetzt der Unterschied zwischen Midas und Behringer? Den Anspruch, den eine Veranstaltung hat, ist ein ganz einfacher: es muss funktionieren, der Besucher muss zufrieden sein und am Ende muss es sich irgendwo rechnen. Zumindest meistens - nicht immer. Womit dieses Ziel erreicht wird, ist mehr als zweitrangig. Meine Erfahrung nach etwa 30 Jahren: ein guter Operator oder Techniker macht auch noch aus einem rauchenden Haufen Schrott eine gute Show. Ein mäßiger Techniker schafft das auch mit Midas, Varilite und MA nicht im Ansatz.