beyerdynamic wird chinesisch
Was der 122 Millionen Euro Deal für Musiker bedeutet

beyerdynamic wird chinesisch
beyerdynamic wird aufgekauft: Verliert Deutschland seine Audio-Ikone?

Thorsten Sprengel Von Thorsten Sprengel am 12. Juni 2025

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Der beyerdynamic-Cosonic Deal im Überblick

beyerdynamic beschäftigt etwa 375 Mitarbeitende in Heilbronn und fertigt dort Klassiker wie den DT 770 Pro-Kopfhörer oder das Bändchenmikrofon M 160 weitgehend von Hand.

Cosonic soll das Unternehmen jetzt für einen Kaufpreis von 122 Millionen Euro aufkaufen. Der Hersteller aus China bekräftigt aber, den Standort in Heilbronn erhalten zu wollen, um das Qualitätssiegel „Handmade in Germany“ nicht zu verlieren.

Wer ist Cosonic?

Cosonic ist eine Tochter des chinesischen Elektronikkonzerns Jiahe Intelligent und produziert bisher vor allem True Wireless In-Ears und Headsets für andere Marken. Das Unternehmen beherrscht Massenfertigung, schnelle Modell-Zyklen und kosteneffiziente Beschaffung.


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Bisher fehlte jedoch eine eigene starke Endkundenmarke – genau diese Rolle soll künftig beyerdynamic übernehmen.

Strategisch will Cosonic damit höhere Margen erzielen und seine Präsenz in Europa und Nordamerika ausbauen.

Was springt für beyerdynamic und Cosonic dabei raus?

beyerdynamic braucht nach pandemiebedingten Umsatzrückgängen Kapital, um Forschung, Marketing und internationale Distribution zu stärken.

Cosonic erhält im Gegenzug sofort Markenvertrauen, eigene Entwicklungsabteilungen in Deutschland und ein bewährtes Vertriebsnetz.

Beide Seiten versprechen sich also Wachstum – die einen über Technik und Tradition, die anderen über Skalierung und Marktzugang.

Was bedeutet der Deal für Musiker?

Der Kauf von beyerdynamic wird unter Musikern gemischt aufgenommen. Einige sehen Chancen zur Weiterentwicklung der Marke, andere befürchten eine Verwässerung der Marken-DNA.

Chancen für Musiker

Es werden drei große Chancen durch den Deal gesehen:

Erstens könnten höhere Forschungs- und Entwicklungsbudgets schnellere Produkt­-Zyklen ermöglichen. Denkbar sind modernere Treiber, High-Res Bluetooth, aktive Geräuschunterdrückung oder app-basierte Klangprofile in künftigen Kopfhörern.

Zweitens verbessert eine weltweite Lieferkette die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Neugeräten – bislang ein Problem für Studios außerhalb Europas.

Drittens könnte eine steigende Produktionsmenge zu günstiger bepreisten Einsteigermodellen oder zu mehr Ausstattung für denselben Preis führen.

Risiken und Bedenken

Auf der anderen Seite fürchten viele Nutzer eine Verwässerung der Marken-DNA. Sollte ein größerer Teil der Fertigung nach China verlagert werden, könnte die legendäre Qualitätskontrolle aus Heilbronn an Gewicht verlieren. Die Qualität könnte generell schlechter werden.

Auch Servicewege könnten länger werden, falls Reparaturen künftig über asiatische Zentren laufen. Zudem besteht die Gefahr, dass Lifestyle-Features Vorrang vor Studio-Details erhalten – beispielsweise könnten austauschbare Kabel oder umfangreiche Ersatzteilprogramme nicht mehr oberste Priorität haben.

Auch wenn Cosonic beteuert, am Standort Heilbronn festhalten zu wollen – viele Mitarbeiter haben jetzt Angst um ihren Job. Der Betriebsrat und die IG Metall fordern daher eine schriftliche Standort- und Beschäftigungsgarantie.

Vergleichbare Übernahmen

Ähnliche Fälle in der Vergangenheit zeigen ein gemischtes Bild. Als beispielsweise Sonova 2021 die Consumer-Sparte von Sennheiser übernahm, erschienen rasch neue True-Wireless Modelle. Das kann als Zeichen von Innovation gewertet werden.

Seit der Harman-Übernahme durch Samsung 2016 vermissen manche Profis hingegen den früheren High-End-Fokus von AKG.

Entscheidend wird bei beyerdynamic damit sein, welche Strategie der neue Eigentümer verfolgt und wie stark die deutsche Ingenieurskultur eingebunden bleibt.

Tipps für beyerdynamic-Fans

Wer derzeit einen DT 770 Pro oder ähnliche Klassiker kaufen möchte, kann das ohne Sorge tun – Produktion und Preise bleiben kurzfristig stabil.

Spätestens 2026 dürften jedoch die ersten Cosonic-beeinflussten Modelle erscheinen. Musiker sollten dann genau prüfen, ob Klangsignatur, Verarbeitung und Ersatzteilversorgung noch dem gewohnten Niveau entsprechen.

Wer beispielsweise auf Bändchenmikrofone wie das M 160 setzt, sollte beobachten, ob diese weiterhin in Heilbronn handgefertigt werden.

Was solltest Du also mitnehmen?

Der Cosonic-Deal ist Chance und Risiko zugleich. Größere Budgets und globale Strukturen können echte Innovationen bringen – gleichzeitig droht, dass die spezifischen Bedürfnisse von Tonstudios und Live-Profis dem Massengeschäft geopfert werden.

Ob der berühmte „beyerdynamic-Sound“ auch in einer global skalierten Zukunft Bestand hat, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Bis dahin heißt es: wachsam bleiben, aber vorsichtig optimistisch sein.

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