Parallel Compression / parallele Kompression
Mixing Tutorial
Parallel Compression – Wann und warum?
Beim Komprimieren von Audiospuren ist es je nach Material manchmal nicht gerade einfach, den richtigen Kompressionsgrad zu finden. Komprimiert man zu wenig, springen einem einzelne Töne oder Passagen förmlich entgegen. Verwendet man hingegen zu viel, klingt die Spur überkomprimiert, undynamisch und langweilig.
Lies auch: Kompressor einstellen
Bei perkussivem Material – wie zum Beispiel Schlagzeugspuren – kommt noch hinzu, dass man die Wirkung der Komprimierung auf die Transienten (»das Attack«, die Anschlaggeräusche) sehr deutlich hören kann. Die Veränderungen an den Transienten kann dazu führen, dass der Punch völlig verloren geht.
Passend dazu
- Drums & Parallele Kompression – delamar Mixdoc #002
- 5 Schritte zu besser klingenden Drums
- Ableton Live Tutorial: Parallel Compression
- Video Tutorial: Cubase 4 Basics – Einstellen des Audiotreibers
- Video Tutorial: Parallel Compression in Cubase 4
Und genau hier greift die parallele Kompression ein: Du kannst einen hohen Kompressionsgrad erreichen, ohne dabei alle Transienten und Dynamik zu verlieren. Auf diesem Weg bleiben einzelne Klänge und der gesamte Mix kontrastreich, interessant und natürlich.
Hintergrund: Was sind Transienten? »
Wie funktioniert »Parallel Compression«?
Die verwendete Technik ist relativ einfach und schnell zu verstehen. Wir nehmen eine beliebige Audiospur (für das Beispiel einfach die Subgruppe für alle Drums) und duplizieren diese in unserer DAW.
Die Originalspur nennen wir »Drums O«, die zweite »Drums P«. Das »P« steht hier für »parallel«, denn dies ist die Spur, auf die wir den parallelen Kompressor (manchen auch bekannt als Side-Kompressor) anwenden werden. Die Originalspur lassen wir soweit unangetastet.
Auf Drums P legen wir also nun einen Kompressor unserer Wahl. Zu beachten gilt hierbei – gleich ob wir im analogen oder digitalen Bereich arbeiten – etwaige Laufunterschiede der Audiospuren (unterschiedliche Verzögerungen bzw. Phasen) müssen ausgeglichen werden.
Beide Spuren müssen synchron laufen. Bei den meisten DAWs muss hier in der Regel nichts gemacht werden, da diese die von Plugins verursachten, unterschiedlich starken Latenzen automatisch ausgleichen. Im analogen Bereich wird man es wahrscheinlich nie zu 100% hinbekommen, da muss man mit einigen Phasenauslöschungen leben.
Tipp zur Einstellung der Spuren
Der einfachste Weg, um die richtige Einstellung für die Verzögerung herauszufinden: Drehe die Phase einer der beiden Spuren und ändere die Einstellung langsam, bis beide Audiospuren sich komplett auslöschen. Anschließend drehst Du die Phase wieder um, damit beide Spuren zu hören sind, und ziehst Drums P im Volumen herunter.
Und damit kommen wir wieder zurück zum parallelen Kompressor auf unserer Audiospur Drums P.
Einstellungen am Kompressor
Als Threshold nehmen wir eine relativ hohen Wert. Alles von 40-60 dB dürfte unseren Ansprüchen genügen. Die Ratio können wir zu Anfang auf 2:1 oder 4:1 stellen. Wer mehr Crunch will, kann sich gerne auch mal mit 10:1 versuchen.
Das Attack wird so schnell wie möglich eingestellt. Auf die Transienten brauchen wir bei dieser Spur keinerlei Rücksicht nehmen.
Das Release stellen wir auf einen relativ hohen Wert zwischen 500 und 800 ms ein.
Die komprimierte Audiospur sollte solo angehört ziemlich schräg und crunchy klingen. Wir ziehen sie an dieser Stelle im Volumen ganz zurück und hören uns die Originalspur im Mix an. Dann geben wir die parallel komprimierte Spur langsam dazu und beobachten, wie sich der Klang unserer Drums ändert.
Die Drums werden etwas kontrollierter und komprimierter klingen, werden aber ihre Dynamik nicht vollends verlieren und der Punch bleibt uns erhalten.
Je nach Kompressor und Einstellung kannst Du die parallele Kompression auch dazu nutzen, den Audiospuren mehr Breite zu geben. Im Fall unserer Drums können wir feststellen, dass sie mehr Sustain bekommen.
An dieser Stelle solltet ihr mit dieser Technik etwas herumspielen und verschiedene Kompressoren und Klangquellen antesten. Besonders gut eignet sich meiner Meinung nach der UAD-Kompressor 1176LN, denn er fängt an bei großem Kompressionsgrad leicht zu verzerren.
Eine leicht abgewandelte Methode, bei der die parallele Kompression übrigens mit einem Equalizer kombiniert wird, findest Du hier:
Tutorial: 5 Schritte zu besser klingenden Drums »
Parallele Kompression Hörbeispiele
Als Basis für das Beispiel zur parallele Kompression haben wir einen einfachen 8-taktigen Hip-Hop-Beat genutzt. Parallele Kompression kann im Übrigen mit jeder Audiospur (Vocal-Aufnahmen, Synths, Gitarren etc.) genutzt werden, um transparent zu komprimieren und den Sound etwas anzudicken.
Um die MP3-Dateien möglichst gut vergleichen zu können, sind alle auf einen RMS-Durchschnittswert von etwa -20 dB eingepegelt. Die MP3-Qualität ist sehr hoch eingestellt, um die klangqualitativen Verluste sehr gering zu halten (sie sind kaum der Rede wert).
Beat ohne Kompression
Im nächsten Schritt habe ich einen Kompressor der UAD auf die Sub-Gruppe des Beats gelegt und bei mittlerem Attack bzw. Release den Treshhold so lange gesteigert, bis die Gain Reduction zwischen -15 dB und -20 dB lag.
Die Kompression, die Abmilderung der Transienten und das etwas geringere »Klatschen« ist im direkt hier nachfolgenden Beispiel deutlich zu hören.
Beat mit Kompressor im Insert
Und nun zum Vergleich drei mal den Beat mit parallel compression. Die drei Kompressoren gehören zu den Plugins der UAD-1 und sind qualitativ als hochwertig einzustufen. Einerseits ist bei den nachfolgenden Beispielen zu beobachten, wie sich der Punch trotz hoher Kompression erhält und die Transienten fast unbehelligt bleiben. Und andererseits gilt es zu hören, welchen Einfluss die Wahl des Kompressors auf den Sound hat.
Jedes Hörbeispiel klingt anders und je nach gewünschtem Ergebnis eignet sich der eine mehr oder weniger.
Beat mit paralleler Kompression mit UAD EX-1
Beat mit paralleler Kompression mit UAD LA2A
Parallele Kompression im Lat/Vert-Modus
Zu guter Letzt gibt es noch ein Hörbeispiel mit parallel Kompression mit dem UAD Fairchild im LatVert-Modus. Interessant ist hierbei , wie das Audiosignal nicht nur komprimiert wird, sondern auch wie es sich im Stereofeld verbreitert. Eine Technik, die auch gerne im Mastering verwendet wird.
Beat mit paralleler Kompression mit UAD Fairchild im LatVert-Modus
Wir hoffen, dass die Hörbeispiele interessant waren. An dieser Stelle freuen wir uns wie immer über dein Feedback, deine Fragen und deinen Like, wenn dir unser Tutorial gefallen hat. :)
zu 'Parallel Compression / parallele Kompression: Mixing Tutorial'
Uli 08. Jan 2009 10:51 Uhr
Hallo,
danke erstmal für die Mühe, diese doch sehr umfangreiche Materie verständlich darzustellen!
Verstehe ich das richtig, dass ihr die Schlagzeugspuren unbearbeitet(!) als Subgruppe für die Parallelkompression erstellt?
Gruss Uli
Carlos (delamar) 08. Jan 2009 18:48 Uhr
Das ist natürlich kein Muss, aber die unbearbeiteten Spuren haben mehr Dynamik. Normalerweise wird aber nur der unbearbeitete Submix auf eine Gruppe geroutet, die dann so richtig komprimiert wird.
Lex 21. Mrz 2009 11:57 Uhr
Hallo liebe Mit-Delamar-Begeisterte
Ich hätte noch einen kleinen Tip wie es noch schneller gehen könnte.
Ich benutze den Kompressor für die Parallelkompression als Send-FX im Prefadermodus und kann ihn im Mix dann genauso hinzufügen wie oben beschrieben.
Alles Liebe
Lex
nevi 22. Mrz 2009 01:26 Uhr
Ich verwende auch eher einen Send oder noch lieber ein Gruppen-Routing, damit Automatisierungen nicht ständig dupliziert werden müssen. Vermutlich lässt sich generell so auch noch ein wenig CPU-Leistung sparen - im Falle eines VSTi als Originalspur sowieso.
Der Unterschied in der Verwendung von Gruppe oder Send liegt darin, dass beim Send keine weiteren Insert-FX verwendet werden können, um das komprimierte Signal zu modifizieren - z.B. mit Tube oder EQ etc. Dafür ist ein Send einfacher bzw. übersichtlicher.
Einige Kompressor-Plugins haben inzwischen einen eigenen Mix-Regler, mit dem das Verhältnis Dry/Wet geregelt werden kann. Das wäre dann sozusagen ein eingebautes Feature für Parallelkompression.
Der Vorteil hierbei ist die Möglichkeit, Insert-FX hinter dem Kompressor auf das gesamte Signal wirken zu lassen, ohne auf eine weitere Gruppe zu routen.
lg nevi
dr_gruenspan 30. Apr 2009 23:14 Uhr
Kann man das auch über send machen? (ableton live)
oder muss ich dann die latenz korrigieren weil bei mir klingt das immer irgendwie so 'doppelt'.
was mach ich falsch???
ist die technik auch für sehr natürlich klingende musik relevant???
danke im voraus
Carlos (delamar) 01. Mai 2009 11:00 Uhr
Willkommen auf delamar, dr_gruenspan!
Natürlich ist diese Technik für natürlich klingende Musik relevant, denn da kommt sie her. Sie wurde ursprünglich dazu verwendet, fettere Drumaufnahmen zu schaffen.
In Ableton lässt sich die Technik auch nachbilden, keine Frage, und das geht auch ohne Latenz. Im Zweifelsfall kannst Du die Audiodaten ja immer noch einige Samples nach vorne schieben, um die Latenz auszugleichen.
Aber vielleicht findet sich ja ein Ableton Live Nutzer, der Dir da mehr Auskunft geben kann.
nevi 03. Mai 2009 04:00 Uhr
@dr_gruenspan:
Ableton hat einen automatischen Latenzausgleich für Plug-Ins, insofern brauchst Du da nichts zu korrigieren. Ein Send erzeugt auch keine Latenz. Wenn etwas "doppelt" klingt, wird es daran nicht liegen.
Das Verfahren ist übrigens für JEDE Art von Musik geeignet ;-)
Gruß nevi
p.s.
Hast Du eine recordete Aufnahme genommen oder spielst Du live ein?
Stefan 27. Apr 2010 12:31 Uhr
Zu erst: DANKE, DANKE, DANKE für diese Seite und die anderen auch!!!!!!
in Frage: Ich habe ein Drum Line genau so, wie erklärt parallel komprimiert und habe das Problem, dass wenn es zur Stelle kommt, wo die Drums double bass spielt, es zu einer Übersteuerung kommt. Was habe ich da falsch gemacht?
Habe Logic 9, den "normalen" Compressor, der von Haus aus in dem Programm ist, verwendet: Attack 200.0ms Release 529.0ms, Ratio 4.4:1, compressor Threshold -50dB, Gain 4.0dB, limiter Trehshold 0.0 dB, Auto Gain off. Circuit Time: Class A_R, Side Chain detection: Max
Habe den Compressor über einen Send geschickt, da das Schlagzeug aus mehreren Tracks besteht.
Bin noch ganz neu, also wenn´s geht, dann möglichst einfach erklären!
VIELEN DANK noch einmal für deine Seite!!!
JFK 24. Mai 2010 16:49 Uhr
Man kann das nicht nur auf den Drums anwenden einfach mal probieren was passiert wenn man für jede Instrumenten-Gruppe via Send parallele Kompression anwendet.
Viele Leute beschweren sich das es ITB nicht so richtig zusammen klebt.
Kann es aber sehr wohl wenn man für jede Gruppe einen SUB MIX mit P-Kompression macht.
Klar der Mix wird dann immer komplexer die Arbeit lohnt sich aber.
Wer dann noch einen SSL-G-Master-BUS Kompressor sein eigenen nennt und mit der Summe raus in die analoge Welt geht dürfte nur noch wenige Wünsche nach einen noch besseren Sound haben.
Und selbst wenn man den nicht als Hardware besitzt kommt man mit dem Waves SSL-G-Master-Bus-Plug-In auch sehr weit, ganz weit sogar.
David 30. Okt 2012 13:54 Uhr
Für alle Logic User:
Der Compresor in Logic hat noch Zusatzoptionen die man unten einblenden kann und da gibt es einen Mix Regler!!! Hier kann man direkt den Anteil des komprimierten Anteils einstellen OHNE irgendwelche Sends Latenzausgleich etc. steht so übrigens auch im Manual von Logic, einfach mal lesen! ;-)
Malleus Vocis 06. Sep 2013 18:48 Uhr
Bei Ableton benutze ich den einen der beiden send channels und route dann die einzelnen Spuren auf diesen besagten channel. Wichtig ist, das der gain des parallelen channels nicht bis ins Maximum gefahren wird, sondern wirklich nur wohltemperiert dazu gemischt wird.
Lg
John 09. Feb 2014 12:15 Uhr
Warum schreibt man den SSL-BUSS Kompressor im Plugin mit Doppel-S? Macht doch eigentlich keinen Sinn, es ist ja bekanntlich die Abkürzung für "Binary Unit System" und es wird sonst immer als BUS geschrieben.
Karl Achs 08. Feb 2016 21:43 Uhr
Kann man das nicht einfach auch mit dem Dry/Wet-Regler beim Kompressor machen? (Ich habe hier gerade den Glue Compressor in Ableton Live im Auge)
Felix Baarß (delamar) 08. Feb 2016 22:30 Uhr
Ja.
Es ist wirklich sehr zu begrüßen, dass immer mehr Plugins mit Dry/Wet-Reglern ausgestattet werden - als dieser Artikel ursprünglich verfasst wurde, war dies eben noch nicht so verbreitet. Unabhängig davon ist es nützlich, die hier geschilderte Herleitung zu kennen, um in jedem Fall parallele Kompression (und sonstige Effekte aller Couleur) erzielen zu können.
Am großartigsten finde ich die _DAW-eigenen_ Dry/Wet-Regler in REAPER - zu finden in der Kopfzeile des Fensters eines jeden beliebigen Plugins. :D
Felix 30. Jan 2019 16:32 Uhr
Parallelkompression ist, anders als alle anderen Kompressionen, eine Verstärkung der niedrigen Pegel sowie eine Betonung der Transienten bis zum doppelten Pegel eines Transienten, je nachdem, wie kurz die Attack-Zeit des komprimierten Anteils eingestellt ist.
Durch den tiefen Threshold bei der Parallelkompression wirkt oberhalb des Thresholds nur der nicht komprimierte Anteil für Signale, die länger als die Attackzeit andauern. Transienten kürzer als die Attackzeit werden mit bis zu +6dB verstärkt im Vergleich zu dem nicht komprimierten Anteil, da nicht komprimierter Anteil und komprimierte Anteil miteinander kohärent addiert werden.
Unterhalb des Thresholds wird der nicht komprimierte Anteil mit dem komprimierten Anteil addiert, was zu einer Anhebung/Verstärkung dieses Signalanteils führt.
Technisch gesehen ist der Vorteil des Parallelkompressors also die sehr starke Betonung der Transienten plus einer Anhebung der unteren Pegelbereiche. Anders als beim normalen Kompressor wird hier also der Bereich unterhalb des Thresholds angehoben und nicht oberhalb des Thresholds abgesenkt.