Drahtlossysteme für deine Gitarre
Was Du über Funkstrecken wissen musst
Von Philipp Mahler am 03. April 2017
Drahtlossystem Gitarre – Inhalt
- Warum per Drahtlossystem Gitarre übertragen?
- Woraus bestehen Funksysteme für Gitarre?
- Welches Drahtlossystem passt zu mir?
- Analog oder digital?
- Wie viele Signale sollen übertragen werden?
- Nutze ich verschiedene Funkstrecken parallel?
- Welche Frequenzbereiche stehen mir als Musiker zur Verfügung?
- Diversity – Zwei Antennen für guten Empfang
- Empfang verbessern
- Fazit
Warum per Drahtlossystem Gitarre übertragen?
Gitarre spielen ohne Kabelsalat, wie geht das? Wer schon einmal auf der Bühne sich mit dem Kabel von Sänger oder Bassist verhakt hat, wird sich die Frage sicherlich gestellt haben. Gibt es also eine kabellose E-Gitarre?
Abhilfe schafft die Erfindung der Funkstrecke: Gitarre, Bass, aber auch Stimme und Monitoring-Signale werden heute zunehmend über den Äther gejagt, weil dadurch Bewegungsfreiheit geschaffen wird. Ohne Kabel kein Kabelsalat, keine Stolperfallen, keine Sturzgefahr für aufgebockte Verstärker.
Übrigens: Bei Systemen renommierter Hersteller wie Shure, beyerdynamic, AKG und Sennheiser erwarten dich heutzutage keine nennenswerten qualitativen Einbußen im Vergleich zur Kabelübertragung. Zudem wird der Sound über PA-Anlagen ohnehin nicht so fein wiedergegeben, dass wirklich ein Unterschied zu merken ist.
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Woraus bestehen Funksysteme für Gitarre?
In aller Regel beinhaltet ein Drahtlossystem zwei Hauptkomponenten: einen Sender als auch einen Empfänger. Je nach Sendertyp (gleich mehr dazu) ist ggf. noch ein kurzes Kabel enthalten, das zur Verbindung zwischen der Gitarre und dem Sender dient.
Bodypack bzw. Taschensender
Diese kleinen Kästen sind in etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel und wiegen meist knapp 100 Gramm. Befestige sie mit einem Clip am Gürtel, am Hosenbund, an einer Tasche oder am Gitarrengurt.
Das elektrische Signal der E-Gitarre wird in Funksignale gewandelt und dann von diesem Gerät abgestrahlt. Bei digitalen Funkstrecken wir das Signal erst noch digital gewandelt und anschließend abgestrahlt.
Der Anschluss funktioniert so:
- Kurzes Kabel von der Gitarre zum …
- Taschensender – dieser funkt das Signal zum …
- Empfänger
Sender mit integriertem Klinkenstecker
Alternativ gibt es kompakte Sender, die mit einem integrierten Klinkenstecker daherkommen, also direkt an die elektrische (Bass-)Gitarre gesteckt werden. Diese sind weniger flexibel und werden im (semi-)professionellem Bereich deswegen nicht eingesetzt. Zudem besteht die Gefahr, dass sie beim Gitarre spielen auf der Bühne herausrutschen.
Handelsübliche Empfänger
Kommen wir nun zu den Empfängern, die das Signal vom Sender abgreifen. Die meisten Funksysteme für Gitarre im (semi-)professionellen Bereich besitzen einen Empfänger in Form eines unscheinbaren kleinen Kastens. Bei Geräten mit professioneller Ausrichtung sind die Empfänger häufig in 19-Zoll-Ausführung zu finden.
An Bord sind ein Display zur Anzeige des gewählten Kanals bzw. der Frequenz und mehr, einige wenige Knöpfen und meist zwei Antennen (siehe »Diversity« weiter unten).
Funkstrecke (Gitarre) mit Tuner für dein Floorboard
Beim Shure GLXD16 kannst Du den Empfänger unmittelbar in das Pedalboard deines Rigs integrieren. Er ist aus robustem Metall gefertigt und kann mit 9 Volt auf die gleiche Art und Weise mit Strom versorgt werden wie die übrigen Effektpedale auf dem Board.
Praktisch: An Bord ist ein Stimmgerät, das so manchen eigenständigen Tuner problemlos ersetzt. Damit erstreitet sich das Gerät endgültige seine Berechtigung auf dem Pedalboard. Der Fußschalter dient unter anderem zur Deaktivierung des Signals, so dass ein Gitarrenwechsel oder das Stimmen auf der Bühne lautlos vonstattengeht.
Das Shure GLXD16 kann weltweit kostenlos genutzt werden, da es im anmeldefreien 2,4-GHz-Bereich arbeitet. Die Funkfrequenz wird automatisch gewählt, bei Störungen schaltet das System nahtlos um.
Der Empfänger ist auch für große Bühnen geeignet – im Idealfall beträgt die Übertragungsreichweite 60 Meter. Der Taschensender ist indes für 30 Meter ausgelegt, was für die meisten Bühnen aber auch noch locker reicht. Seine Stummelantenne sitzt unter einer Kunststoffhaube und kann somit nicht abknicken.
Mehr dazu findest Du im Shure GLXD16 Testbericht auf delamar.
Welches Drahtlossystem (Gitarre) passt zu mir?
Hier folgen ein paar Fragen, die Du mit der Hilfe dieses Ratgebers für dich beantworten musst. Damit kannst Du die Vielzahl der erhältlichen Funksysteme für Gitarre aussieben, um schließlich das perfekte Drahtlossystem für dich zu finden.
1. Analog oder digital? Unterschiede in Klang, Kanalzahl & Latenz
Eine Funkstrecke sendet entweder rein analog oder mit digitaler Unterstützung. Hier wollen wir gleich zu den Vor- und Nachteilen beider Typen in der Praxis springen – in Sachen Klangqualität, Kanalmenge und Latenz.
Klangqualität
Stell dir vor, Du willst mit einem alten Autoradio Musik hören. Im Sendebereich einer bestimmten Radiostation ist der Empfang rauschfrei. Beim Verlassen dieses Bereichs durch die Fortbewegung mit dem Auto wird der Empfang kontinuierlich schlechter und schlechter und schlechter. Bis irgendwann nur noch Rauschen zu hören ist. Funksysteme für Gitarre funktionieren genauso.
Bei der Digitalübertragung tritt durch die Entfernung vom Sender bis zu einem gewissen Punkt keinerlei Beeinträchtigung auf. Erst wenn das empfangene Signal sehr schwach ist, stoppt der Empfang abrupt. Bis dahin ist jedoch alles perfekt zu hören, eine graduelle Verschlechterung gibt es hier nicht. Ganz oder gar nicht, 1 oder 0.
Anzahl der Kanäle
Bei einem digitalen Drahtlossystem (Gitarre, Vocals & Co.) kann eine deutlich höhere Kanalanzahl erzielt werden. So können manche modernen Digitalsysteme Kanäle mit Frequenzen in einem Abstand von 125 kHz zueinander nutzen. Bei analogen Systemen würden sich die Klänge derart dicht gestaffelter Kanäle vermischen (»Übersprechen«).
Latenz (Verzögerter Empfang)
Der einzige potentielle Nachteil eines digitalen Funksystems ist die höhere Latenz. Der Gitarrensound erklingt hier grundsätzlich etwas später über die Lautsprecher/Kopfhörer als bei einem analogen System.
Die meisten Menschen nehmen Verzögerungen von bis zu 10 Millisekunden nicht wahr. Viele Musiker sind indes etwas feinfühliger.
Gute Nachricht: Bei guten digitalen Funkstrecken von renommierten Herstellern beträgt die Latenz etwa 3-7 Millisekunden. Sofern in der Signalkette deines Setups nicht noch weitere nennenswerte Latenzen hinzukommen, bist Du also gut gerüstet.
2. Wie viele Signale sollen übertragen werden?
Jedes Drahtlossystem hat eine bestimmte Anzahl nutzbarer Kanäle, damit Sender und Empfänger schnell aufeinander abgestimmt werden können. Für diese Kanäle haben die Hersteller jeweils bestimmte Frequenzen festgelegt, auf denen ohne gegenseitige Störungen gleichzeitig gefunkt werden kann – sie werden »kompatible Kanäle« bzw. »kompatible Frequenzen« genannt.
Fausregel II: Für einen störungsfreien Betrieb mehrerer Funkstrecken gleichzeitig ist es wichtig, dass die einzelnen Signale auf unterschiedlichen kompatiblen Kanälen übertragen werden.
Meist lassen sich vier bis sechs Signale problemlos gleichzeitig übertragen (inkl. Funkmikrofonsysteme und Systeme zum drahtlosen In-Ear-Monitoring). Wird diese Zahl überschritten, werden programmierbare Sender/Empfänger sowie zusätzliches Equipment wie Splitter, Antennenverstärker etc. nötig. Eine Beratung durch Fachpersonal ist erforderlich – die meisten großen Funksysteme-Hersteller leisten das.
3. Nutze ich verschiedene Funkstrecken parallel?
Wenn Du ausschließlich Drahtlossysteme eines Typs verwendest, arbeiten diese in aller Regel bestens zusammen, denn hier sind die kompatiblen Kanälen meist innerhalb von mehreren Gruppen organisiert. Oder – bei Geräten mit fester Frequenz – es sind alle Frequenzen von vornherein miteinander kompatibel.
Eine Mischung aus unterschiedlichen Geräten (gerade wenn diese von verschiedenen Herstellern stammen) verkompliziert die Lage. In diesen Fällen bieten sich Empfänger mit einer automatischen Scanfunktion an – sie spürt selbständig einen geeigneten Kanal für eine störungsfreie Übertragung auf. Je nach System stellst Du diesen Kanal dann manuell am Sender ein oder Du synchronisierst beide Komponenten per Infrarot.
4. Welche Frequenzbereiche stehen mir als Musiker zur Verfügung?
Diverse Drahtlossysteme sind in mehreren Versionen für verschiedene Frequenzbereiche (Frequenzbänder) erhältlich, andere sind indes auf einen bestimmten Bereich festgelegt. Zur Entscheidung für oder gegen ein Gerät musst Du also zunächst wissen, ob der/die unterstützte(n) Frequenzbereich(e) für dich überhaupt in Frage kommen – hier folgen die wichtigsten Infos dazu.
Anmeldefreie, kostenlos nutzbare Frequenzbereiche
Um legal, kostenlos und vorherige Anmeldung funken zu können, stehen die folgenden Frequenzbereiche zur Verfügung:
- 174 – 230 MHz (VHF-Band III)
- Hohe Störanfälligkeit bei analogen Funksystemen
- Zuverlässiger Betrieb bei digitalen Funksystemen
- 823 – 832 MHz (LTE-Mittenlücke ML 800)
- Für kleinere Bands geeignet
- Smartphones/Tablets mit LTE in Empfängernähe können Störungen verursachen
- 863 – 865 MHz (ISM-Band / harmonisiertes EU-Band)
- Für Bands, die durch Europa touren – das Band ist in allen EU-Staaten anmeldefrei
- 1.785 – 1.805 MHz (LTE-Mittenlücke ML 1G8)
- Hohe Frequenz führt gelegentlich zu Beeinträchtigungen in der Funkübertragung
- 2.400 – 2.483,5 MHz (WLAN-Band / 2G4-Bereich)
- Für Bands auf kleinen Bühnen mit 3-4 Funkkanälen, Alleinunterhalter und DJs
- Weltweit anmeldefrei nutzbar
- Vermehrt Störquellen durch WLAN- und Bluetooth-Geräte
Anmelde- und kostenpflichtige Frequenzbereiche
In den drei nachfolgend aufgeführten Frequenzbereichen ist die Nutzung aufwändiger Setups möglich – die Bereiche sind größer, so dass in ihnen mehr Platz für Signale auf unterschiedlichen Frequenzen bleibt. So kommt es weitaus seltener zu Störungen als in den anmeldefreien Bereichen. Das ist besonders wichtig für anspruchsvolle und professionelle Bands, die sich keine Scherereien erlauben können.
- 470 – 608 MHz
- 614 – 703 MHz
- 733 – 823 MHz
Zur Nutzung dieser Frequenzbereiche ist eine kostenpflichtige Anmeldung bei der Bundesnetzagentur nötig. Sie kostet einmalig 130,- Euro (unabhängig von der Anzahl der Funkkanäle) plus jährlich 10,- Euro pro Kanal. Die zugeteilten Urkunden sind auf je zehn Jahre befristet.
Für ein ganzes Musikerleben
Das beyerdynamic TG 510 Instrument Set ist ein Drahtlossystem (Gitarre und Bass) mit Diversity und 18 kompatiblen Kanälen pro Frequenzband. Wähle eine passende Kombination aus Sender plus Empfänger aus einer von diesen vier Versionen:
- 518 – 548 MHz
- 606 – 636 MHz
- 794 – 832 MHz
- 1.780 – 1.810 MHz
Besonders spannend ist die Variante mit 794 – 832 MHz, denn hier überschneiden sich ein anmeldefreies und ein anmeldepflichtiges Frequenzband. Das ist perfekt für jeden Gitarristen oder Bassisten, der mit seiner Band klein anfängt, aber groß rauskommen will.
Auch die überdurchschnittlich hohe Übertragungsreichweite von bis zu 120 Metern ist erwähnenswert.
Mehr zu den Frequenzbereichen findest Du hier:
Diversity – Zwei Antennen für guten Empfang
Nutze unbedingt ein Drahtlossystem mit zwei Antennen und dem Feature »Diversity«. Das erhöht die Aussicht auf eine dauerhaft störungsfreie Funkübertragung erheblich.
Die Ursache ist schlicht und ergreifend, dass die zwei Antennen einige Zentimeter weit voneinander entfernt sind. Hintergrund: Funksignale können sich gegenseitig auslöschen, wenn sie sich überschneiden. Diese Überschneidungen treten jedoch stets nur an einigen Stellen im Raum auf – die jeweils andere Antenne bekommt durch ihre abweichende Platzierung im Raum praktisch immer ein sauberes Signal. Auf dieses wird dann automatisch umgeschaltet, was meistens so schnell geschieht, dass keine Aussetzer zu hören sind.
Es gibt mehrere Arten von Diversity – True Diversity, Antennen-Diversity etc. Auf kleineren Bühnen sind die Unterschiede dieser Technologien nur sehr selten zu erfahren. Erst auf sehr großen Bühnen oder bei Festinstallationen mit mehreren Räumen wird eine genauere Betrachtung nötig.
Empfang beim Drahtlossystem (Gitarre) verbessern
Für eine möglichst reibungslose Übertragung kannst Du die folgenden Dinge beachten.
1. Empfänger richtig platzieren
Zahlreiche Geräte können den Empfänger stören, Dazu zählen etwa …
- Andere Geräte, die mit Funkübertragung arbeiten
- CD-Player
- DAT-Recorder
- MD-Player
- Computer
Tipp: Platziere solche Geräte in einem Abstand von mindestens einem Meter zum Empfänger.
2. Antennen richtig platzieren und/oder anwinkeln
Am besten platzierst Du die Antennen so, dass sich zwischen ihnen und dem Sender keine Objekte befinden können. Egal, wie Du dich auf der Bühne bewegst, es sollte immer eine freie Sichtverbindung bestehen.
Der Empfänger sollte in einem Rack möglichst ganz oben und wenn möglich mit den Antennen vorne sitzen.
Im Falle von Diversity-Empfängern winkelst Du die Antennen jeweils um 45° nach außen an (so dass sie im 90°-Winkel zueinander orientiert sind). Auch eine etwas steilere Anordnung, die an ein »V« erinnert, hat sich als praxistauglich erwiesen.
Bei abnehmbaren Antennen gilt die Faustregel, dass zwischen ihnen ein Abstand von 40 cm bestehen sollte.
3. Antennensplitter nutzen
Wenn mehrere Drahtlossysteme zum Einsatz kommen und alle in einem Rack montiert sind, liegen deren Antennen oft nah beieinander. Das kann die Empfangsleistung verschlechtern.
Viele Systeme bieten daher die Möglichkeit, die Antennen abzunehmen. Und das ermöglicht wiederum den Einsatz eines Antennensplitters – dieser kann das Signal einer Antenne an mehrere Empfänger leiten. Ab vier Empfängern in einem Rack solltest Du diese Lösung definitiv ins Auge fassen.
Fazit
In den letzten Jahren haben sich Funksysteme für Gitarre – genau wie Funkmikrofone und drahtloses In-Ear-Monitoring – schnell weiterentwickelt. Übertragungsreichweite und -stabilität, Klangqualität, Latenz und Bedienfreundlichkeit wurden relativ zum Preis zusehends besser. Mittlerweile ist die Technik für Live-Auftritte so ausgereift, dass Du den Sprung wagen kannst.
Die anmeldefreien Frequenzbereiche funktionieren mit Systemen von namhaften Herstellern bei kleineren Gigs reibungslos. Professionelle Bands können zu vertretbaren Kosten auf die anmeldepflichtigen Frequenzbereiche zurückgreifen und große Setups auf die Beine stellen.
Dein erstes Drahtlossystem (Gitarre) – Wir empfehlen …
- Digitale Systeme – Sauberer Klang, mehr Kanäle, Latenz meist niedrig genug
- Diversity – Zwei Antennen sind Pflicht für stabile Funkübertragung!
- Systeme mit Taschensender (Bodypack) – technisch hochwertiger, stabiler