The HANDS Project
Die Lebenslinie der Musiker im Fokus

»HANDS«

Die »HANDS« von Bassist Marco Mendoza

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»The HANDS Project«

In seinem Projekt »HANDS« erzählt Marc Mennigmann die Geschichte der Musik mit Blick auf die Hände jener, die sie machen.
Für seine Shootings setzt sich der Fotograf mit den Musikern zusammen und überlegt, wie sich ihr Stil und Instrument am besten durch die Präsentation ihrer Hände zum Ausdruck bringen lassen.

Und dann kann es auch schon losgehen. Fünf Minuten, zwei, drei Shots: Fertig. Bereits über 200 Künstler sind inzwischen Teil seines Projekts.

Adam Holzman u. Marc Mennigmann
(Foto von Sven Kosakowski)

Interview mit Marc Mennigmann

Wie kamst Du auf die Idee, dich auf Hände zu spezialisieren und sie fotographisch in Szene zu setzen? Was hast Du davor fotografiert?

Die Idee zu »HANDS« hat sich langsam entwickelt. Ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, meine beiden Lieblingsthemen – die Fotografie und die Musik – miteinander zu vereinen. Ich habe vorher alle möglichen Felder der Fotografie ausprobiert. Unter anderem habe ich mich lange Zeit mit dem Thema Portraitfotografie mit dem Schwerpunkt auf Headshots beschäftigt. Aber Musikerportraits waren mir zu trivial.

Es gibt es eine Menge Leute, die das ganz toll machen, nur ich wollte nicht das hunderttausendste Foto von Joe Satriani mit seiner Gitarre machen. Bei HANDS geht es eben nicht um die Gesichter und die Instrumente, sondern um die Hände, die den Ton erzeugen.

Wieso schwarz-weiß?

Weil ich die Ästhetik von Schwarz-Weiß-Aufnahmen liebe. Ich fotografiere fast ausschließlich ohne Farbe. Als ich mit HANDS angefangen habe, habe ich es auch mit farbigen Bildern versucht, aber sobald ich das Bild in schwarz-weiß konvertiert hatte, wurden die Aspekte, die ich zeigen wollte, offensichtlicher. Mittlerweile habe ich eine Kamera, die direkt nur Schwarz-Weiß-Fotos macht, das heißt, die Dateien enthalten gar keine Farbinformationen. Dafür habe ich einen höheren Dynamikumfang, was meinen Bildern sehr zugute kommt. Auch Bilder auf der Bühne mache ich ausschließlich ohne Farbe, im guten alten Rock’n’Roll-Stil.

Marco Mendoza am Bass

Was ist dein persönlicher Bezug zur Musik?

Ich habe einmal meine Brötchen als Jazz-Pianist verdient. Das war in den 1990ern. Damals habe ich viel Piano-Trios gehört, also z.B. Oscar Peterson und Bill Evans, aber auch die gesamte Fusionmusik, John Scofield, Steps Ahead und Chick Coreas Electric Band. Und natürlich habe ich versucht, das gesamte Werk von Frank Zappa in mich aufzusaugen.

Meine Brötchen verdiene ich mittlerweile mit anderen Dingen, aber genau das gibt mir die Freiheit, mich musikalisch nur mit den Dingen zu beschäftigen, die mir auch etwas bedeuten. Ich habe zum Beispiel letztes Jahr in Eigenregie eine reine Improvisationsplatte aufgenommen und veröffentlicht. Das Projekt heißt »NOTOPIA«, die dabei entstandene Platte »Celebrating Life«. Mit dabei waren unter anderem der Zappa-Gitarrist Mike Keneally und die Prog-Legende Peter Hammill.

Übrigens hatte ich schon damals beim Klavier immer den Eindruck, zu weit von der eigentlichen Klangerzeugung entfernt zu sein, das heißt, die Mechanik, die mein Spielen auf die Saiten überträgt, war mir eine zu große Distanz zum Ton. So gesehen habe ich damals schon das Konzept von HANDS gespürt, denn im Idealfall formen die Hände den Ton, nicht das Instrument. Ich habe mal erlebt, wie Mike Stern auf dem Setup eines anderen Gitarristen gespielt hat. Er hatte noch nicht mal eine Telecaster, aber es war auch mit geschlossenen Augen unverkennbar Mike.

Du hast bei verschiedenen Jazzveranstaltungen ausgestellt. Ist Jazz deine Lieblingsmusik?

Ich mag dieses Schubladendenken nicht. Jazz-, Rock-, Prog-, Metal-, Popmusik, Klassik, Folklore – eigentlich ist es doch alles ein und dasselbe. Mir geht es darum, ob die Musik eine Nachricht transportiert, die mich anspricht. Ob mir der Musiker mit seiner Musik etwas erzählt. Bei improvisierter Musik habe ich das sehr häufig, aber ich höre viel Musik und das quer durch alle Stile und Epochen. Ich bin immer auf der Suche und freue mich auf die nächste Entdeckung.

Welches Instrument spielst Du oder welches würdest Du gern lernen?

Ich spiele Klavier und Chapman Stick. Die Instrumente Gitarre, Schlagzeug und Bass kann ich bedienen, überlasse das aber lieber anderen. Wirklich zuhause fühle ich mich am Flügel. Aber ich bin auch immer offen für Neues. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit modularen Synthesizern, durch die ich dann einen mikrofonierten Flügel schicke. Auch eines dieser Experimente fernab jeder Schublade.

Die »HANDS« von Schlagzeuger Dennis Chambers

Deine erste Ausstellung war 2016 in Lünen, doch wann hattest Du die Idee, ein solches Projekt ins Leben zu rufen?

Die Idee zu HANDS entstand 2012, als ich mit Julie Slick (Bassistin des Adrian Belew Power Trio) eine Platte aufgenommen habe. Eines Abends saß ich mit Ihr und meiner Tochter, Lia, die auch Bass spielt, in meinem Wohnzimmer und wir haben unsere Hände verglichen. Und dann war die Idee auf einmal da. Ich habe dann sofort Julie und Lia als erste Motive genutzt und so die ersten Experimente mit Licht, Hintergrund, Bearbeitung etc. machen können. Den Experimentierstatus sah man den ersten Bildern aber auch an, sodass ich das Bild von Julies Händen letztes Jahr aktualisiert habe. Bei der Gelegenheit habe ich dann auch gleich Adrian Belew und Tobias Ralph für das Projekt gewinnen können.

Wer hat Dich in deinem Vorhaben unterstützt?

Ach du meine Güte, das würde eine sehr lange Liste, wenn ich die lieben Menschen, die mir mit Rat und Tat geholfen haben, oder immer noch helfen, alle auflisten würde. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle allerdings meine Frau, die mich dieses Projekt machen lässt, und schon so manchen Abend allein verbrachte, weil ich wieder zu irgendeinem Konzert musste um irgendeinen Musiker zu treffen. Auch sehr wichtig ist mein Freund, Sven Kosakowski, der mich – sofern es sein Zeitplan zulässt – zu den HANDS-Shootings begleitet. Er hat hunderte Making-Of- Fotos geschossen, die mich und den jeweiligen Musiker während des HANDS-Shootings zeigen. Da sind viele schöne Erinnerungen dabei.

The story of music through the story
of the hands that make it

Natürlich haben mich auch die ganzen Musiker damit unterstützt, dass sie mir Ihre Zeit und ihr Vertrauen geschenkt haben. Und wen ich auch gerne an dieser Stelle einmal erwähnen möchte, das sind die Tourmanager, die mich mit meinem Anliegen in den meist sehr eng gestrickten Tagesablauf der Musiker einbinden mussten. Ich weiß die Jungs und Mädels haben einen stressigen Job, und ich freue mich jedes Mal, wenn sie sich auch für mich um einen reibungslosen Ablauf bemühen. Das ist nicht selbstverständlich.

Welche Reaktionen erlebst Du von Seiten des Publikums und auch von den Musikern?

Ich habe den Eindruck, dass Betrachter der Bilder einen Moment brauchen, um sich darauf einzulassen. Aber sobald sie auf die Reise gehen, sich die Details ansehen und an den Händen vorher nie gesehene Dinge entdecken, dann merke ich, dass sich die Faszination übertragen hat.

Die Reaktion der Musiker ist immer berührend, auch wenn das Display meiner Kamera sehr klein ist und dieser erste Eindruck natürlich anders wirkt als ein hochwertiger Ausdruck in 100 x 50 Zentimeter. Die Musiker finden sich auf eine neue, sehr private Art und Weise in den Bildern wieder, weil die Hände ihre Geschichte erzählen.

Dennis Chambers am Schlagzeug

Über 200 Musiker sind bereits Teil deines Projekts. Kann jeder Musiker sich bei dir für ein Shooting bewerben?

Nein, die Auswahl ist extrem subjektiv. Würde ich wirklich jeden Musiker aufnehmen, der gerne aufgenommen werden möchte, dann hätte ich sicherlich schon mehrere Tausend im Projekt. Ich kontaktiere ausschließlich Musiker, deren Musik ich mag, oder die in irgendeiner Weise die Musiklandschaft geprägt haben. Auch müssen sie einen eigenen unverkennbaren Sound haben, denn darum geht es ja bei HANDS.

Der Aufwand eines Shootings ist für mich auch relativ hoch, da ich nicht nur die Hände fotografiere, sondern auch ein Foto des Musikers auf der Bühne dazugehört. Beide Bilder zusammen ergeben quasi eine Einheit. Losgelöst vom Bild auf der Bühne fehlt für den Betrachter der Hände die Auflösung, also zu wem diese Hände gehören und was er damit macht.

Auf welche »Big HANDS« bist Du besonders stolz?

Ich freue mich sehr, einige mir besonders am Herzen liegende Musiker dabei zu haben. Das ist z.B. der eben schon erwähnte Drummer Peter Erskine und sein Kollege Steve Gadd. Die Pianistin Carla Bley und Bassist Steve Swallow waren auch sehr früh dabei und haben sich damals auch ohne viele große Namen in der Referenzliste meinem Projekt anvertraut. T.M. Stevens ist auch einer, der mir Zeit und Vertrauen geschenkt hat. Bei seiner HANDS-Session hatte ich noch mit meiner Technik zu kämpfen, aber er sagte einfach »Take your time« und hat mir damit wieder Ruhe und Zuversicht gegeben. Ein toller Mensch.

Mittlerweile kann ich einen Musiker in weniger als drei Minuten ablichten – wenn es sein muss. Schöner ist es, wenn sie etwas Zeit mitbringen und man ins Gespräch kommt. Dann werden aus den »Big Names« normale Menschen. Das sind die Momente, für die ich besonders dankbar bin.

Und noch viel schöner ist es dann, wenn man einen Musiker ein paar Monate oder Jahre später wieder trifft, und man mit »oooh, the hands-guy« begrüßt wird. Dann weiß ich, dass die kurze Zeit, die sie mit mir verbracht haben, auch für sie eine Bedeutung hatte.

Wann wird voraussichtlich dein Buch mit dem Titel »HANDS« erscheinen?

The HANDS-Book

In meinem Kopf ist das Buch schon fertig. Ich habe mittlerweile genügend Bildmaterial, das zugrunde liegende Layout ist fertig, ich weiß, welches Papier ich verwenden möchte und wie das finale Werk aussehen wird. Auch ist schon ein Vorwort von Peter Erskine vorhanden und ein weiteres von Mike Keneally in Arbeit. Da allerdings die Herstellung von großformatigen Fotobüchern sehr teuer ist, und ich den weltweiten Vertrieb auch unmöglich privat organisieren möchte, suche ich derzeit einen geeigneten Verlag, der sich auf dieses Abenteuer mit mir einlassen möchte. Der Großteil der Arbeit ist schon getan und es wäre zu schade, wenn es nur bei der Idee bleiben würde.

Wann findet die nächste Ausstellung statt?

Die nächste Ausstellung wird dieses Jahr voraussichtlich bei den Leverkusener Jazztagen 2018 stattfinden. Eigentlich war alles schon für ’17 geplant, aber krankheitsbedingt musste ich dann leider doch im letzten Moment absagen. Glücklicherweise ist der Veranstalter ein prima Kerl und wir werden das dieses Jahr nachholen. Grundsätzlich bin ich für Ausstellungsangebote immer offen. Ich habe über fünfzig Drucke im Lager stehen, die quasi jederzeit an eine Wand gehängt werden können…

Welche weiteren Ziele hast Du für die Zukunft?

Das Buch ist definitiv eines der Ziele, aber das möchte ich wie gesagt nicht allein machen. Allerdings bin ich guter Dinge, dass sich zu gegebener Zeit auch der passende Verlag findet. Was das Projekt angeht, werde ich fleißig weitere Musiker hinzufügen. Es gibt so viele tolle Musiker, junge und alte. Das kann ich im Prinzip mein Leben lang weitermachen. Ganz oben auf meiner Liste sind derzeit Herbie Hancock, Chick Corea, Lenny Kravitz und die Foo Fighters. Ich weiß, damit greife ich nach den Sternen, aber hätte man mir vor zehn Jahren gesagt, dass ich diese lange Liste an legendären Musikern persönlich treffen werde, dann hätte ich das erst einmal nicht geglaubt.

Herzlichen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg.
Vielen Dank.

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