Besser singen als krächzen
Hilfreiche Gesangstipps und Übungen

Gesangsübungen für Anfänger - Tipps und Hausmittel

Hilfreiche Tipps und Gesangsübungen findest Du hier im Interview mit Olga Zaitseva-Herz und Yvonne Stempel.

anzeige

Gesangsübungen für deine Stimme

Ob mit jahrelanger Erfahrung oder als blutiger Anfänger – die meisten Sängerinnen und Sänger versuchen stetig ihren Gesang mit Hilfe verschiedenster Techniken zu verbessern. Doch was hilft wirklich? Mit welchen Übungen und Tricks kannst Du deine Stimme besser schonen oder die Höhen etwas leichter erklimmen?

Unsere Expertinnen für Gesang geben Antwort. Im folgenden Interview erfährst Du nützliche Gesangstipps von Olga Zaitseva-Herz und Yvonne Stempel.

Lies auch: Musik aufnehmen: Deine erste Musikaufnahme

Allgemeines zu Gesang und Unterricht…

Olga: Singen hat sehr viel mit dem Körpergefühl, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu tun; denn man gibt der Stimme nur den Spielraum im Klang, wie man sich es auch selbst zutraut.

Ich selbst habe oft erfahren, dass Schüler ihre eigene Stimme völlig unterschätzt haben. In diesen Fällen muss der Schüler erst einmal selbst erfahren, dass er wesentlich mehr in sich hat als er denkt. Erst wenn er das realisiert, zeigt es sich im Gesang.

Versuche Räuspern zu vermeiden – auch wenn es schwerfällt.

Man könnte fast meinen der Gesangsunterricht habe etwas esoterisches, da Lehrer und Schüler an etwas arbeiten, dass sie beide nicht sehen.

Der Lehrer versucht mit allen Mitteln dem Schüler zu beschreiben, wie sich das Körpergefühl und akustisches Bild von innen anfühlt. Das kann einiges an Fantasie und Zeit erfordern. Auch Eselsbrücken können dabei hilfreich sein.

In mancherlei Hinsicht ist es auch sicherlich psychologische Arbeit. Selbst in dem Fall, dass die Stimme weniger Training benötigt um bestimmte Ziele, die der Schüler vor sich hat, zu erreichen: Es ist wichtig, dass der Schüler daran glaubt, dass er das schafft und seine Stimme nicht versteckt sondern klingen lässt.

Nicht selten verstecken die Lernenden ihre Stimme im Unterricht und singen leise und zurückgehalten. Die Arbeit wird dadurch jedoch leider nicht leichter, denn wenn man versucht am eigenen Instrument zu arbeiten, sollte es nach Möglichkeit auch so klingen wie es tatsächlich ist.

Das bedeutet: Selbstbewusst singen ist wichtig! Du brauchst dich nicht vor dem Lehrer wegen dem Klang deiner Stimme zu genieren. Es ist letztlich seine Arbeit, an ihr zu Pfeilen.

Yvonne: An der Stimme selbst können wir nicht viel verändern. Wir können entscheiden, welche Art von Gesang wir erlernen möchten. Gehen wir in den klassischen Bereich? Entscheiden wir uns für den Pop-Bereich, oder wagen wir uns gar an Metal heran?

Der Körper braucht einen festen Stand.

Wichtig ist, dass wir selbst Spaß daran haben und selbstbewusst zu dem Instrument Stimme stehen und eine gewisse Extrovertiertheit besitzen.

Ein stilles Mäuschen wird auf der Bühne nicht gesehen und auch nicht gehört. Zeig’ was Du kannst. Wenn am Anfang vielleicht nicht direkt vor Publikum. Aber Du wirst selbst über dich staunen, was Du erreichen kannst, wenn Du dich nur traust.

Sollte man sich vorher mit Gesangsübungen aufwärmen?

Olga: Auf jeden Fall. Ein Stimmband besteht aus Muskeln und ist sehr sensibel. Bereits während einem Konzertbesuch oder auf einer lauten Party- überall dort, wo man die Stimme stark belastet – kann man sie auch schnell verletzen. Es ist daher ähnlich wie beim Sport: man sollte niemals einfach in den Spagat springen, ohne sich vorher aufgewärmt zu haben. Leichte und sanfte Übungen in einer bequemen Lage eignen sich gut zum Einsingen.

Wenn man auf der sicheren Seite bleiben möchte, sollte man sich in einem bequemen Bereich einsingen, vor allem nicht allzu hoch und nicht zu laut. Alles was extrem ist würde die Stimme unnötig belasten.

Yvonne: Wenn man vor dem Gesangstraining keine Aufwärmübungen macht, kann die Stimme schnell angegriffen sein und heiser werden. Um lange durchhalten zu können oder mehrere Konzerte an hintereinander liegenden Tagen geben zu können, sollte man die Stimme immer gut darauf vorbereiten.

Olga Zaitseva-Herz

Die Sängerin Olga Zaitseva-Herz ist Dozentin der Lehranstalt für Logopädie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Doktorandin für Musikwissenschaft an der University of Alberta in Edmonton in Canada.

Gesangstipps - Olga Zaitseva_herz

Olga Zaitseva-Herz ist Gesangsdozentin, Sängerin und Doktorandin.

Sie schloss ihr Studium in den Fächern Sounddesign und Violine an einem Konservatorium ab und machte einen Master in Biologie.

An der Wiesbadener Musikakademie und der Frankfurter Musikhochschule erwarb sie daraufhin ihr Diplom für Gesangspädagogik.

Welche Gesangstechniken und Übungen eignen sich besonders?

Olga: Es gibt verschiedene Meinungen zu dem Thema Gesangstechniken. In der Gesangspädagogik wird daher viel über Lernansätze und die Techniken gestritten und diskutiert.

Was moderne Techniken angeht, so sollte man nicht vergessen, dass es auch ein Markt ist und es auf diesem Gebiet auch Mode, Tendenzen und Verkaufsstrategien gibt. Allen denjenigen, die ihre eigene Stimme ausbilden möchten und nicht wissen, welchen Weg sie dabei einschlagen wollen, würde ich empfehlen, eher dem eigenem Bauchgefühl als den bunten Homepages zu vertrauen.

Egal wie genial der Lehrer und wie einzigartig seine Gesangsmethode auch ist, die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler muss stimmen, denn das Vertrauen untereinander ist besonders wichtig.

Yvonne: Es gibt so viele verschiedene Ansätze und Techniken… Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt… Manche lernen am liebsten, indem sie lediglich Techniktraining machen. Manche lernen am liebsten zu Musik. In erster Linie sollte es Spaß machen. Und wenn man sich dabei wohlfühlt und mit kleinen Achtsamkeiten seiner Stimme nicht schadet, gibt es nichts Richtiges und nichts Falsches. Hier ein paar kleine Gesangsübungen für zu Hause:

Gesangsübungen

Nimm dir ein Instrument zur Hand und höre dir den Ton genau an. Singe ihn nach. Pfeile solange, bis Du dir sicher bist, dass es der Richtige ist. Du schulst so dein Gehör und deine Intonation. Du bekommst ein Gefühl dafür, wenn der Ton auch nur Nuancen daneben liegt. Schnell klingt es irgendwie schräg.

Und noch eine Übung mit einem kleinen Hilfsmittel. Nimm dir ein DIN A4 Blatt und greife es hochkant in der Hälfte an den Rändern. Nun atme in den Bauch und blase mit einem S-Laut gegen das Blatt, dass sich dies fast 90° biegt. So schulst Du deine Atmung.

Um das Zwerchfell zu trainieren kannst Du harte Konsonanten P – T – K (gesprochen ohne Vokalanhang) mit Nachdruck sprechen. Du merkst, wie dein Zwerchfell arbeiten muss.

Kann man durch zu viel Technik auch das Gespür für das Singen verlieren?

Yvonne: Natürlich kommt es darauf an, welches Ziel man erreichen möchte. In manchen Musikrichtungen muss man einfach funktionieren. Man muss umsetzen können und das am besten direkt und perfekt. Dabei geht das Gefühl verloren.

Das Gefühl aber ist es, was die meisten Sänger dazu bringt überhaupt erst anzufangen. Ohne Gefühl geht nichts. Und ich finde, das sollte man sich nicht nehmen lassen. Persönlichkeit und Wiedererkennung gehört dazu. Nicht umsonst ist unsere Stimme ein auditiver Fingerabdruck.

Oft empfinde ich Persönlichkeit und Einzigartigkeit im Gesang schöner als die beste Technik.

Gibt es deiner Meinung nach überhaupt richtige und falsche Techniken oder sollte einfach jeder seine eigene Gesangstechnik entwickeln?

Olga: Es ist wie beim Kuchen backen – es gibt nicht DAS Kochbuch mit dem einzig wahren Rezept. Sicherlich gibt es mehrere gute Rezepte, unter anderem ist es auch immer eine Geschmacksache. Forscher und Pädagogen rund um die Welt arbeiten täglich daran, bekommen neue Erkenntnisse, entdecken andere Möglichkeiten und entwickeln weitere Übungen. Weiterhin gibt es klassische Gesangstechniken, die sich über die Jahrhunderte etabliert haben.

Grundsätzlich finde ich es ist wichtig, ein Gespür dafür zu entwickeln, was für einen gut ist und was nicht. Wenn man das Gefühl hat, man möchte etwas Neues aus der Welt der Gesangstechniken ausprobieren – warum nicht! Solange man darauf achtet, dass man sich selbst nicht schadet und es einen voranbringt.

Yvonne: Es kommt immer darauf an, was man erlernen will. Wenn man singen möchte, um Popstar zu werden, sollte man sich einen Gesangslehrer suchen, der in diesem Bereich Erfahrung hat. Genauso bringt es mir nichts einen Gesangslehrer aufzusuchen, der keine Erfahrung in der Klassik mitbringt, da ich mich immer mehr in diese Richtung spezialisiere.

Nimm dich selbst auf und höre es dir an.

Natürlich schadet es nichts, wenn man viele Gesangstechniken erlernen möchte. Und gewisse Grundstellungen sind wohl bei den meisten Gesangsarten gleich. Möchte man eine Richtung aber vertiefen, sich darauf spezialisieren, dann macht es schon Sinn, sich jemand Erfahrenen zu suchen. Die Stimme gewöhnt sich auch daran.

Ich wollte es vorher nicht glauben. Als ich aber nach etwa drei Jahren klassischen Gesangs noch einmal mit meiner ehemaligen Band im Rockgenre geprobt hatte, kam es mir vor, als wäre jeder Ton schief und die Stimme dünn wie Papier. Der ganze Körper musste sich erst wieder darauf umstellen und daran gewöhnen.

Yvonne Stempel

Die Sopranistin Yvonne Stempel entdeckte bereits früh als Kind ihre Liebe zum Gesang und erhielt an der Musikschule in Homburg eine umfangreiche musikalische Bildung.

Geangsübungen - Yvonne Stempel

Yvonne Stempel entdeckte bereits früh ihre Liebe zum Gesang.

Sie machte einige Erfahrung in verschiedenen Musikgenres, wie beispielsweise Rock, Pop und sogar Metal. Ihre Gesangsausbildung setzte sie schließlich in Wiesbaden bei Marcel Kucera fort.

In den letzten Jahren trat sie bei den Gala-Konzerten »Colours of love« in Wiesbaden und der »Tschechisch-Deutsche Freundschaft« in Franzensbad auf. Eine besondere Begeisterung hegt sie für klassische Musik und Arien von Giaccomo Puccini.

Warum höre ich mich bei Aufnahmen so anders an?

Olga: Wenn man auf seine eigene Stimme achtet, hört und nimmt man sich selbst anders wahr, als die Zuhörer ringsum. Das hat akustische Gründe.

Unsere ästhetische Erwartung orientiert sich in großen Teilen an den Klängen, die wir von außen wahrnehmen. Alle Klänge jedoch, die wir nicht selbst erzeugen sondern von draußen aufnehmen, liefern unseren Ohren ein anderes akustisches Bild:

Wenn Schallwellen den Raum durchqueren, entsteht dabei ein Hall-Effekt. Dieser lässt die Stimme warm und samtig klingen. Hören wir unsere eigene Stimme, fehlt dieser Hall-Eindruck allerdings. Besonders auffällig ist dies bei der Verstärkung durch ein Mikrofon.

Da der Klang fast direkt an den Lippen abgenommen wird, hat er kaum eine Chance Hall aufzubauen und klingt damit ziemlich »roh«. Damit es natürlicher klingt, wird oft ein künstlicher Hall auf die Stimme gelegt. Man sollte es aber auch damit nicht übertreiben.

Was sollte man bei der Atmung beachten?

Olga: Die Atmung ist ein Fundament. Sie sollte tief gehen. Es wird oft mit dem Riechen an einer Blume verglichen. Bei der Bauchatmung sollte man nicht die Schultern nach oben ziehen, sondern versuchen gefühlt „in den Bauch“ zu atmen.

Yvonne: Um die Stütze aufbauen zu können, die der Körper benötigt, ist eine Atmung in den Bauch essentiell. Schnell wechselnde Tonfolgen, Koloraturen, werden nicht mit den Stimmbändern, sondern mit dem Zwerchfell gebildet und geformt. Das ist wichtig, um Schäden zu vermeiden.

Aufhören, wenn es schmerzt.

Wenn man sich vorstellt, dass eine Opernsängerin mit einer Lautstärke von etwa 110 dB singt, ein Flugzeug in geringer Entfernung bei etwa 120 dB liegt, können mit dem Druck und der Luftströmung schon kleine Risse und Vernarbungen entstehen.

Wie wichtig ist Körperhaltung? Welche Position sollte ich beim Singen einnehmen?

Olga: Auch der Stand ist wichtig. Unsere Stimme ist unser Körper und Instrument. Deshalb müssen wir auf die Balance des ganzen Körpers achten, die Knie nicht durchdrücken und sollten keine Verspannungen im Körper haben.

Ein Test dazu: Versuche deine Hand ganz fest zu einer Faust zusammen zu drücken und dabei ganz entspannt zu singen – es geht nicht wirklich. Oft überträgt sich die Spannung imKörper auf andere Körperteile. Man verspannt die Hände, den Nacken, die Gesichtsmuskulatur, oder den Kiefer. Dies überträgt sich auf den Kehlkopf und lässt die Stimme nicht frei schwingen.

Fazit: Unterkiefer entspannt hängen lassen, Knie nicht durchdrücken und nicht im Hohlkreuz stehen.

Da unser Körper unser Instrument ist, versuche auf deinen Körper zu achten. Versuche dich bequem und frei zu fühlen. Denke positiv. Sei glücklich beim Singen oder versuche durch singen glücklich zu werden.

Yvonne: Der Körper braucht in erster Linie einen festen Stand. Es bringt der eleganteste Schuh nichts, wenn man sich darin unsicher fühlt und jeden Moment droht umzuknicken. Die meisten haben mit Lampenfieber zu kämpfen. Selbst Profis werden das nie komplett los. Da ist es wichtig, dass man sich auf das Wesentliche konzentrieren kann und sich keine Gedanken darüber machen muss, ob man demnächst umknickt, stolpert oder ähnliches.

Genauso sollte die Kleidung die passende sein. Gerade wir Frauen kämpfen ununterbrochen mit unseren Pfunden und möchten auf der Bühne möglichst schön sein. Beim Gesang ist es allerdings wichtig ein gutes Körpergefühl zu haben. Lass den Bauch locker, stehe gemütlich und fühle dich in deiner Haut wohl. Man singt mit dem kompletten Körper, nicht mit den Stimmbändern.

Das bedeutet: Stehe gerade, mit beiden Beinen fest auf dem Boden und erde dich selbst.

Wer nimmt Gesangsunterricht?

Olga: Es gibt ganz verschiedene Motive, warum man in den Gesangsunterricht kommt: Einige bereiten sich auf eine Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule vor. Andere wollen ihren Partner auf der Hochzeit mit einem selbstgesungenen Liebeslied überraschen. Wieder andere suchen darin Halt während einer privaten Krise oder schwierige Lebenssituation. Es kann viele Gründe geben! Doch grundsätzlich ist man nie zu alt, um anzufangen.

Gesangsunterricht ist immer individuell und Du erhältst qualifiziertes Feedback.

Aus meiner Sicht lohnt es sich definitiv, Unterricht in Gesang zu nehmen. Gesangslehrer haben ein breitgefächertes und intensives Studium durchlaufen und kennen sich unter anderem in Bereichen wie Physiologie, Gehörbildung und diversen Unterrichtsmethoden gut aus.

Gesangsunterricht ist immer individuell. Ich empfehle es daher sehr, einen Lehrer zu haben. Ohne Frage, allein üben und singen kann man immer. Nichtsdestotrotz ist ein Lehrer hilfreich, damit Du ein qualifiziertes Feedback erhältst und so auf dem kürzesten und gesündesten Weg zum Ziel kommst.

Meinen Studenten lege ich außerdem immer nahe, dass ihre Stimme vielseitig aufgebaut ist und sie alles singen können, was sie wollen. Ob Klassik, Pop, Jazz, Songwriting oder Improvisation: Verschiedene Stile und Abwechslung eignen sich gut, um mit der eigenen Stimme vertrauter zu werden.

Welche Gesangstipps gibst Du deinen Schülern an die Hand?

Olga: Räuspern sollte man grundsätzlich vermeiden, selbst wenn das nicht immer leicht fällt. Der Grund dafür ist, dass beim Räuspern die Stimme stark beansprucht und strapaziert wird. Dies fördert weitergehend die Bildung von Schleim auf den Stimmbändern.

Yvonne: Was die Stimme sehr gut entspannt und wieder in die Grundstellung bringt ist das Gähnen. Wenn wir das Gefühl von Anstrengung im Hals merken, die Töne nicht mehr so leicht von der Hand gehen, einfach mal zwischendrin ein Gähnen hervorrufen.

Außerdem: Nimm dich selbst auf. Nimm dein Handy, ein Diktiergerät, ein Mikrofon, irgendetwas, um dich selbst aufzunehmen – und höre es dir an. Es ist so spannend und hilfreich sich selbst von außen zu hören.

Ohne Aufwärmen kann die Stimme schnell angegriffen sein und heiser werden.

Man hört Fehler in der Aussprache, man hört viel besser, wenn der Ton nicht perfekt sitzt, wann und wo das Vibrato oder andere Stilmittel zu viel oder zu wenig eingesetzt werden. Sich selbst zuhören mit dem äußeren Gehör ist meiner Meinung nach sehr wichtig.

Und natürlich: Üben, üben, üben… und nicht aufgeben. Der Körper ist keine Maschine. Du kannst keinen Knopf drücken oder etwas umprogrammieren, damit das gewünschte Ziel erreicht wird. Lasse dem Körper und der Stimme Zeit. Ich selbst habe schon Tränen vergossen, weil ich Monate lang nicht den gewünschten Effekt erreicht habe.

Dann plötzlich passiert es einfach und Du steigst die Treppe, die Du die ganze Zeit versucht hast zu erklimmen, um mehr als eine Stufe nach oben. Auf einmal funktioniert einfach alles und noch viel mehr, ohne dass Du es dir selbst richtig erklären kannst.

Was kann ich tun, wenn ich meine Stimme überstrapaziert habe?

Yvonne: In allen Arten und Genres gilt aber immer: Aufhören, wenn es schmerzt. Pausieren, wenn die Anstrengung zu groß wird, denn dann geht die Belastung auf die Stimmbänder und werden nicht mehr vom Körper gestützt. Das ist gerade am Anfang sehr anstrengend, da die Muskulatur noch nicht so ausgebildet ist.

Wenn man sich dann doch einmal überstrapaziert hat helfen in der Regel Honig, Tee oder betäubende Dragees. Generell würde ich sagen es hilft so ziemlich alles, was man auch nutzt wenn man mit Halsschmerzen erkältet ist. Wobei man sich auf die Hausmittelchen beschränken sollte und nicht direkt in der Apotheke Medikamente kaufen sollte. Dazu noch ein bis zwei Tage Gesangspause.

Gibt es Lebensmittel, die ich vor dem Singen vermeiden sollte?

Yvonne: Ich denke, das sollte jeder für sich selbst ausprobieren. Ich esse vor dem Singen nicht viel, wenn überhaupt. Das Zwerchfell arbeitet sehr stark beim Singen und bei vollem Magen kann das gerne mal drücken.

Das ist auch das Problem bei Kohlensäure. Sie schadet der Stimme nicht. Sie hat aber den unangenehmen Nebeneffekt, dass sie viel Luft mit in den Magen bringt und man so nicht entspannt und frei Druck aufbauen kann.

Schleimende Lebensmittel, wie zum Beispiel Milch oder Zitrone, meide ich auch vor dem Singen, da ich mich dann zu viel räuspern muss. Das ist unangenehm und auch nicht gut für die Stimme. Lieber sollte man auch bei einer Erkältung versuchen den Schleim ganz zart weg zu hüsteln oder gar weg zu summen. Das funktioniert!

Was hilft gegen Lampenfieber vor dem Auftritt?

Olga: Praxis und Erfahrung geben Sicherheit. Mir hat es keineswegs geschadet. Natürliche Balance ist hier auch ein Stichwort.

Was die Nervosität betrifft, so muss jeder für sich selbst lernen damit umzugehen. Ein bisschen Nervosität kann auch helfen beim Auftritt konzentriert zu bleiben. Erfahrung hilft, die Nervosität zu bekämpfen.

Yvonne: Lampenfieber. Jeder, der schon einmal auf die Bühne musste, kennt es. Der Herzschlag beschleunigt sich, die Knie zittern, die Hände werden schwitzig und die Stimme zittrig.

Überwinden kann man diese Nervosität wohl nie richtig. Man kann sich daran gewöhnen, man kann lernen damit umzugehen. Aber ehrlich… Will man sie überhaupt komplett überwinden? Wo bleibt der Kick?

Einmal vor dem auf die Bühne gehen kräftig durchschütteln, aus den Armen und Beinen das Zittern raus schütteln und dann einfach das Adrenalin genießen. Nicht zu viele Gedanken machen. Texte fließen lassen – sobald man über sie nachdenkt, vergisst man sie.

Ein oder zwei Ankerpersonen im Publikum finden, die einem Halt geben und diese immer wieder anschauen. Der Anker kann auch gut der Mischer an der PA sein, der gerade genauso hart arbeitet wie Du und versucht den bestmöglichen Sound heraus zu kitzeln. Auch er ist am schwitzen. Die Band, die hinter einem steht, ein Orchester oder auch nur eine einzige Person als Begleitung. Rufe sie dir ins Gedächtnis, schaue sie an und fühle dich nicht mehr alleine.

🎬 Zaitsa – Несе

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Was hat dir am meisten geholfen, um weiter zu kommen? Was rätst Du deinen Schülern?

Olga: Ganz klar: singen! Und ganz viel Auftrittserfahrung. Um mich während der Studienjahre über Wasser zu halten, habe ich viel gearbeitet und so gut wie jeden Auftrag angenommen. Wenn die Veranstalter sich bestimmte Stücke gewünscht hatten, habe ich diese gelernt und dadurch mit der Zeit ein sehr breites Repertoire aufgebaut.

Überraschend war für mich auch die Erkenntnis, dass das Training in einer Stilrichtung mich tatsächlich auch in der anderen gestärkt hat. Beispielsweise Jazzgesang und Improvisation hat viel Arbeit in der Bruststimme erfordert, was sich gleichzeitig positiv auf meine Kopfstimme ausgewirkte. Auch hat die Flexibilität und Improvisation meine Fantasie und mein Können, Kadenzen in klassischen Arien zu singen, gestützt.

Höre auf deine Intuition, singe für dich und für andere. Singe, weil es sich gut anfühlt, singe damit es sich gut anfühlt. Singe, weil Du das kannst und weil Du es können willst. Wie Du siehst, gibt es keinen Grund, nicht zu singen. Also tue es!

Deine Gesangstipps sind gefragt!

Singst Du dich jedes Mal ein? Was hilft dir persönlich am meisten vor einem Auftritt oder auch vor der Probe, um deine Stimme aufzuwärmen? Wodurch bist Du gesanglich weitergekommen? Wir freuen uns über deine Kommentare…

Lesermeinungen (2)

zu 'Besser singen als krächzen: Hilfreiche Gesangstipps und Übungen'

  • Johannes Fritzsche   31. Aug 2018   12:13 UhrAntworten

    Hallo Zusammen!

    Guter Artikel! Ich möchte aus meiner langen Musikerpraxis auch noch ein paar Dinge hinzufügen:

    1. lernt Eure Texte auswendig! Ihr werdet merken, dass Ihr Euch dadurch mehr auf Eure Performance konzentriert und der Gesang subtiler und facettenreicher wird. Außerdem verbessert das Eure Bühnenpräsenz, weil Ihr dann zu 100% beim Publikum sein könnt und nicht zu 50% bei Eurem Textblatt. Natürlich ist es mir auch mal passiert, dass ich meinen Text vergessen oder eine Strophe zweimal gesungen habe. Das merkt aber meist kaum ein Mensch; Hauptsache man singt weiter, und dann kann man so einen Fehler auch mal weglächeln. Auf keinen Fall dürfen die Leute merken, dass Ihr Euch ärgert oder unzufrieden seid.

    2. Wenn Ihr im Studio steht, und Ihr merkt, dass Ihr gesanglich völlig neben Euch steht: brecht den Termin ab! Sonst ärgert Ihr Euch ein Leben lang über die schlechte Aufnahme, und mal ehrlich: so berühmt sind wir alle nicht, als dass die Welt nicht noch ein paar Tage länger auf unseren Song warten könnte.

    3. Open End: es ist nervig, wenn man um 15 Uhr ins Studio geht und man weiß, dass man um 17 Uhr seinen Zug kriegen muss. Eine gute Gesangsaufnahme ist schon Herausforderung genug, da braucht man wirklich keine zusätzlichen Schikanen einbauen.

    4. Getränke: bewährt haben sich bei mir leicht gesüßte Getränke wie Obstsäfte oder auch Tee. Dann fühlt sich der Hals gut an, und das Gehirn mag den Zucker auch ganz gerne. Ganz schrecklich ist hingegen Bier - also Finger weg!

    5. Routinen: gewöhnt Euch Routinen, Rituale und feste Abläufe an. Das gibt Euch Ruhe und Sicherheit und hilft gegen Lampenfieber. Spitzensportler machen das genauso. Schaut Euch mal einen Tennisspieler an, da seht Ihr vor jedem Aufschlag immer haargenau die gleichen Prozeduren, und in den Pausen ist auch immer eine kurze Meditation unterm Handtuch selbstverständlich.

    6. Warmsingen: natürlich sind Gesangsübungen nützlich, aber ich fand sie immer sehr langweilig und habe sie schließlich weggelassen. Ich singe zum Warmmachen immer 1-2 Stücke, die ich mag, die mir stimmlich liegen und die ich im Schlaf singen kann. Am besten mit Begleitung, damit auch gut hört, ob die Intonation ok. ist.

    Diese Tipps eignen sich natürlich nicht nur für Sänger/innen, aber es ist halt eine gute Gelegenheit, diese Dinge mal anzubringen 😉

    Gruß,Euer Hannes

    • Felix Baarß (delamar)   31. Aug 2018   14:39 UhrAntworten

      Hallo Johannes,

      vielen Dank im Namen der ganzen Redaktion für die wunderbaren Tipps! :) Eine sehr schöne Ergänzung zum Interview.

      Herzliche Grüße,
      Felix

Sag uns deine Meinung!

anzeige

Empfehlungen