Klavier gebraucht kaufen – worauf kommt es an?
Von Carsten Helfrich am 11. September 2018
Klavier gebraucht kaufen – Inhalt
Herausforderung beim Klavier gebraucht kaufen
Das klassische Klavier ist ein ausgereiftes Produkt. Es wird weit über 100 Jahre ohne maßgebliche Änderungen bei der Grundkonstruktion hergestellt.
Ein Klavier ist ein Stück Handwerkskunst mit vielen Einzelteilen aus Holz, Metall, Filz und Leder – sie greifen alle ineinander und sind miteinander verbunden. Diese natürlichen Materialen verändern sich stetig: Sie dehnen sich aus, ziehen sich zusammen und sind durch das Spielen einer fast täglichen Beanspruchung ausgesetzt. Dennoch hält ein Klavier bei richtiger Pflege einige Jahrzehnte.
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Alterung
An Klavieren und Flügeln nagt der Zahn der Zeit. Beim Bau werden viele Teile unter Spannung verleimt, verzapft oder verschraubt. Die Saiten zerren mit mehreren Tonnen Zugkraft am Gussrahmen. Die Holzteile verlieren mit der Zeit an Spannung und Steifheit. Daher ist beim akustischen Instrument irgendwann die Luft raus. Trotz regelmäßiger Wartung und Pflege.
Auf dem Markt werden Instrumente angeboten, die 60, 70, 80 Jahre oder älter sind. Diese haben leider nur noch einen sentimentalen Wert – über die Jahre gehen Klang, Dynamik und vor allem die Bespielbarkeit verloren. Tasten werden träge, Töne stumpfen ab. Selbst wenn Du viel Geld in eine Generalüberholung investierst: Der einstige klangliche Glanz bleibt Vergangenheit.
Teile, die besonders leiden
Es gibt zwei wesentliche Bauteile am Klavier, die in den seltensten Fällen zu vertretbaren Kosten instandgesetzt werden können: Resonanzboden und Stimmstock.
Resonanzboden
Dieses Bauteil besteht aus dünnem Massivholz, in der Regel Fichte. Es wird mit Verstrebungen verstärkt und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass der Klang gehört wird. Der Resonanzboden verstärkt die Saitenschwingungen und dient dabei als natürlicher Lautsprecher eines Klaviers.
Durch Transport, falsche Lagerung oder ungeeignetes Klima können sich Risse bilden, was die freie Schwingung und damit die gleichmäßige Tonübertragung behindert.
Zudem wird der Resonanzboden bei der Herstellung unter eine Vorspannung gesetzt. Das gibt dem Klang mehr Tragkraft, Brillanz und Projektion. Ist diese Grundspannung nach vielen Jahren aus dem Material draußen, verliert das Instrument diese dynamischen Klangeigenschaften. Der Ton wird matt und kraftlos klingen.
Stimmstock
Aus mehreren verleimten und gepressten Schichten Massivholz besteht der Stimmstock. In ihm sind die Stimmnägel eingelassen, die die Saiten fest und damit auf Spannung halten. Bei einer Klaviersaite im Bass ziehen bis zu 180 kg permanent am Stimmnagel. Auf dem gesamten Bauteil lasten 20 Tonnen Zugkraft.
Der Stimmstock nimmt diese Kraft auf und hält die Nägel in ihrer Position. Die Stimmnägel müssen drehbar sein, damit die Tonhöhe durch Spannen oder Lockern der Saiten eingestellt werden kann. Das sollte etwa einmal jährlich erfolgen.
Das Holz wird durch klimatische Umstände (Heizperioden, Jahreszeiten, Wetterlage) stetig befeuchtet oder getrocknet. Dieser Vorgang wiederholt sich im Laufe der Jahre viele tausend Male. Dadurch verliert der Stimmstock an Festigkeit, die Stimmnägel werden nicht mehr so gut gehalten. Die Folgen spürt man am Klang und im Geldbeutel.
Als Folge der dauerhaften Beanspruchung sackt die Tonhöhe deutlicher ab und die Stimmung wird schlechter gehalten. Irgendwann kann auch der Klavierstimmer das Instrument nur schwer auf die richtige Tonhöhe einstellen.
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Die Tastatur ist ein mechanisches Meisterwerk
Beim Drücken einer Taste setzt sich ein komplexer Mechanismus aus sehr vielen Teilen in Bewegung. Auch die Mechanik eines Klaviers muss in regelmäßigen Abständen justiert werden. In der Regel macht das der Klavierstimmer, wenn ihm eine Unregelmäßigkeit auffällt.
Im Gegensatz zu Resonanzboden und Stimmstock kann die Tastaturmechanik gut wiederhergestellt werden. Tasten, spröde Filze und Leder oder Metallachsen sind einfach auszutauschen.
Gebrauchtes Klavier kaufen von privat
Private Verkäufer inserieren gebrauchte Instrumente häufig online oder in Zeitungen. Nicht selten besteht dadurch eine Chance, ein älteres Klavier um die 1.000 Euro zu bekommen. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass das eher eine vermeintlich günstige Gelegenheit ist. Ein Laie sieht auf den ersten Blick selten, welche Mängel sich verstecken.
Wenn Du an einem solchen Stück interessiert bist, solltest Du einen Klavierstimmer in deiner Nähe um seine Meinung fragen. Dieser kann sich das Instrument vor dem Kauf gegen einen kleinen Obolus ansehen.
Zudem ist die Altersbestimmung nicht immer einfach. Anhand der Seriennummer lässt sich beim Hersteller das Produktionsjahr erfragen. Viele der kleineren Klaviermanufakturen gibt es aber nicht mehr. Hier kann eine Internetrecherche Auskunft geben, in welcher Zeitspanne dieser Hersteller produziert hat.
Es gibt auch bauliche Merkmale, anhand derer das Alter eingeordnet werden kann. Das sind einige davon:
- Tastaturumfang
- Ober- versus Unterdämpfung
- Verwendete Materialien
Das führt hier aber zu weit und auch Experten sind sich da nicht immer einig.
Was kann ich als Laie selbst überprüfen?
Bist Du auf dich alleine gestellt, kannst Du die folgenden Merkmale selbst überprüfen – auch wenn Du noch nie zuvor ein Klavier betrachtet hast. Es lohnt sich, sich Zeit für das Klavier gebraucht kaufen zu nehmen.
Resonanzboden genau ansehen
Der Resonanzboden darf keine Risse oder Löcher aufweisen. Du findest diesen beim Klavier auf der Rückseite, beim Flügel auf der Unterseite bzw. unter den Saiten sichtbar.
Oftmals stehen Klaviere an der Wand, so ist der Resonanzboden nicht zu sehen. Daher unbedingt das Instrument abrücken und nötigenfalls mit einer hellen Lampe anschauen. Nur so werden Risse gefunden.
Hammerköpfe und Dämpferfilze genau anschauen
Bei geöffneter Flügelklappe oder Klavierdeckel kannst Du sehr schön die Hammerköpfe sehen. Der Filz der Hämmerchen sollte keine zu tiefen Rillen haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass das Instrument schon sehr intensiv bespielt wurde und bisher noch keine Überarbeitung der Hammerköpfe erfolgt ist.
Auch die Filze der Dämpfer, die auf den Saiten liegen, sollten nicht zu sehr abgenutzt sein. Die Saiten selbst sollten nicht schwarz angelaufen oder gar angerostet sein.
Tastatur unter die Lupe nehmen
Ein Blick über die Tastaturflucht zeigt, ob die Tastatur noch geradegelegt ist. Damit ist ein Blick von der Seite auf die Tastatur, auf Höhe der Tasten vom einen zum anderen Ende gemeint. Ist die Tastatur uneben, muss mit Zusatzkosten gerechnet werden.
Durch kurzes Drücken aller Tasten kann ausgeschlossen werden, dass einzelne Töne hängen bleiben. Auch muss immer ein Ton hörbar sein. Wenn ein Ton selbst nach wiederholtem Drücken ausbleibt, liegt ein Problem mit der Mechanik vor.
Tastaturprobleme lassen sich beheben. Sie zeigen aber auch, dass das Instrument lange nicht bespielt bzw. gewartet wurde.
Zusatzkosten beim Klavier gebraucht kaufen
Beim Kauf von privat sollten Kosten für einen professionellen Transport einkalkuliert werden. Neben den gesundheitlichen Gefahren bei einem Transport auf eigene Faust besteht hier eine Haftungspflicht, falls das Gebäude oder Einrichtungsgegenstände durch den Transport beschädigt werden.
Ein fachgerechter Klaviertransport inklusive Versicherung kostet je nach Entfernung in der Regel zwischen 200 und 600 Euro. Wenn die Spediteure das Klavier zerlegen müssen, um durch das Treppenhaus zu kommen, oder wenn mehrere Stockwerke ohne Fahrstuhl zu überwinden sind, kostet das zusätzlich.
Das gebrauchte Klavier sollte zeitnah gestimmt werden, da sich alle Teile an den neuen Standort gewöhnen müssen. Durchschnittstemperatur, Luftfeuchte und Luftdruck sind hier die wesentlichen Faktoren. Ein solcher Stimmservice muss mit 100 bis 150 Euro in den Kaufpreis eingerechnet werden.
Gebrauchtes Klavier kaufen beim Fachhändler
Ein Händler ist für ein Jahr an die gesetzliche Gewährleistungspflicht gebunden. Das heißt, er muss dafür geradestehen, wenn etwas mit dem Instrument bei Auslieferung nicht in Ordnung war. Daher hat ein Klavierhaus kein Interesse daran, ein zu abgenutztes oder gar beschädigtes Piano zu verkaufen. Allerdings gelten auch hier die oben genannten Punkte.
Vielerorts ist sogar der Transport und ein erster Stimmservice im Kaufpreis enthalten. Seltener wird eine längere Garantie bei gebrauchten Klavieren angeboten.
Unter dem Strich muss ein Klavier vom Händler nicht automatisch teurer sein als eines aus privater Hand.
Generalüberholte Klaviere und Flügel
Manche Händler haben sich darauf spezialisiert, ältere Markenklaviere in der eigenen Werkstatt zu überholen oder von großen Firmen aufgearbeitete Instrument zu verkaufen. Es bestehen gute Chancen, ein hochwertiges Instrument zu einem attraktiven Preis zu ergattern.
Achtung: Manche Teile lassen sich nicht mit vertretbarem Aufwand erneuern. Auch eine frische Lackierung oder neue Tasten und Hämmer machen aus einem 100 Jahre alten Klavier kein Klangwunder.
Beim Überlackieren des Rahmens werden oftmals die Herstellernummern (Seriennummern) überdeckt. Damit ist eine nachträgliche Altersbestimmung kaum mehr möglich. Sollte der Händler das Alter nicht genau benennen können, lieber Finger weg.
Fazit
Beim Kauf von gebrauchten Klavieren oder Flügeln kommt es in erster Linie auf das Alter des Instruments an. Ich rate davon ab, Instrumente zu kaufen, die älter als 50 Jahre sind. Gerade für Anfänger ist es wichtig, dass die Spieleigenschaften und dynamischen Ausdrucksmöglichkeiten mit modernen Instrumenten mithalten können.
Als Faustregel gilt: Unter 2.500 bis 3.000 Euro ist ein vernünftiges Klavier gebraucht nicht zu kaufen. Wer dieses Budget nicht zur Verfügung hat, sollte lieber auf ein aktuelles Digitalpiano ausweichen.
Checkliste: Klavier gebraucht kaufen
- Keine Klaviere kaufen, die 50 Jahre und älter sind
- Beim Kauf von privat einen Fachmann konsultieren
- Auf Risse im Resonanzboden und heruntergespielte Filze achten
- Zusatzleistungen bei Händlern vergleichen (Garantie/Transport/Stimmung)
- Ordentliche Gebrauchtklaviere kosten ab 2.500 Euro
- Bei generalüberholten Instrumenten nach Herkunft und Alter fragen, im Zweifelsfall Finger weg
- Transport des Klavieres immer einer Fachspedition überlassen