Das Geheimnis subtiler Halleffekte in der modernen Musikproduktion

Der Raumanteil durch ein Hall-Plugin nachgestellt

Der Raumanteil durch ein Hall-Plugin nachgestellt

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Das Geheimnis subtiler Halleffekte in der modernen Musikproduktion

Eine Aufnahme ohne oder mit wenig Raumanteil klingt trocken, steril und oftmals sogar charakterlos. Um ein klischeehaftes Sprichwort zu bemühen: Ein Recording ohne Raumanteil ist wie eine Suppe ohne Salz. Erst durch das Hinzufügen von Rauminformationen wie Hall oder Delay (zum Beispiel durch Raummikrofonierung oder Plugins), erwacht eine Aufnahme zum Leben und bekommt einen eigenständigen Charakter.

Die Verwendung von Raum hat sich immer mal wieder in der allgemeinen Musikproduktion gewandelt. So wurden in den 50iger Jahren gerne die typischen Echo Chamber Effekte genutzt und in den 80iger war der Gated Hall ein absolutes Muss für jede Produktion. Zur Zeit hören wir tendeziell eher trockene Aufnahmen – ein Trend, der sich seit den 90iger Jahren (und wahrscheinlich als Antwort auf die langen Hallfahnen der 80iger) entwickelt.

Weniger Hall bedeutet nicht gänzlich trocken. Die Effekte und der Raumanteil werden heutzutage einfach nur subtiler eingesetzt. Dabei wird dennoch auf eine entsprechend gute Tiefenstaffelung geachtet und lange Hallfahnen auf einem Solo-Instrument zur Betonung desselben sind natürlich auch in moderner Musik noch angesagt.

 

Wie erreiche ich einen subtilen Halleffekt?

Nun, der räumliche Eindruck Aufnahme kommt ursprünglich vom Raum, in dem sie gemacht wurde (offensichtlich?). An einer DAW (Digital Audio Workstation) haben wir natürlich auch die Möglichkeit, durch diverse Delay- und Reverb-Plugins einen Raumeffekt nachträglich draufzurechnen. Die typischen Parameter hierfür sind der Raumtyp, dessen Größe und die Beschaffenheit seiner Oberfläche. Mit Hilfe des Parameters „Decay Time“ (Nachhallzeit) kannst Du die virtuelle Größe des Raumes bestens steuern.

Der Raumanteil durch ein Hall-Plugin nachgestellt

Der Raumanteil durch ein Hall-Plugin nachgestellt

Möchtest Du also einen subtilen Effekt erzielen, dann findest Du einen Weg darin, die Decay Time deutlich zu kürzen. Besonders gut eigenen sich hier Presets grosser Räume wie beispielsweise Kathedralen, Kirchen oder Konzerthallen. Die Nachhallzeit bei diesen Presets beträgt meistens über zwei Sekunden, für einen subtilen Effekt kürzt Du sie auf vielleicht 0,5 Sekunden (500 ms). Damit sich der Originalklang trotz Hall und Raumanteil gut durchsetzen kann, musst Du das Predelay hochsetzen.

So ab 70 Millisekunden kannst Du dann schon Originalklang und Hall deutlich unterscheiden. Manchmal ist es notwendig, das Predelay auf 100 Millisekunden hochzusetzen. Natürlich sind das keine in Stein gemeisselten Werte. Vielmehr kannst Du diese als Startpunkt für deine eigenen Experimente nutzen.

Der nächste Schritt ist, sich eines Equalizers zu bedienen. Viele Hall-Plugins kommen heute mit einem eingebauten Equalizer. Und sollte dein Hall keinen EQ besitzen, dann kannst Du einen solchen einfach in den Send nach dem Hall einschleifen. Mit einem Lowpass-Filter kannst Du hochfrequentes Klangmaterial ausfiltern. Typisches Beispiel sind die S-Laute in Gesangsaufnahmen oder das Geräusch beim Rutschen der Finger über die Saiten bei der Akustikgitarre.

Überhaupt ist es oft eine gute Idee, die Brillianz etwas aus dem Raumanteil zu nehmen, um den eigentlichen Spuren mehr Platz im Mix zu lassen. In einigen Fällen kann aber auch die genau umgekehrte Herangehensweise zum gewünschten Effekt führen. Bei Snare Drums erwische ich mich des Öfteren dabei, den Hall etwas heller als das eigentliche Signal einzustellen. Und noch ein Tipp gleich dazu: Ein Highpass-Filter, um tieffrequente Störgeräusche zu entfernen, wirkt Wunder.

 

Hall in mono, stereo oder was?

Aktuelle Audio Computer sind rasend schnell und haben genügend Power, um viele unterschiedliche Hall-Plugins in stereo laufen zu lassen. Nur ist stereo nicht immer die richtige Lösung. Manchmal setzt sich gerade ein Mono-Hall-Effekt besser im Mix durch oder, anders gesprochen, manchmal findet ein Stereo-Hall einfach keinen Platz mehr in der Abmischung deines neuesten Hits. Wichtig ist dann wieder einfach zu experimentieren und sich mal einen „Downgrade“ auf mono zu trauen.

 

Hier geht es weiter mit dem Geheimnis subtiler Halleffekte in der modernen Musikproduktion

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Als Ansatz kannst Du ja mal folgende Regel nehmen: Je voller dein Mix mit Instrumenten ist, desto mehr kannst Du auf einen Mono-Hall zurückgreifen. Je leerer der Mix ist, desto besser findet ein Stereoeffekt Platz.

Und wenn Du noch kreativer mit dem Einsatz von Hall in deiner Musik werden möchtest, dann kannst Du ja Folgendes probieren: Erstelle zwei Aux-Wege in mono, in die Du jeweils dasselbe Hall-Plugin (Monoversion) lädst. Bei beiden stellst Du nun dasselbe Preset ein und pannst die beiden Returns hart links und hart rechts. Jetzt hast Du zunächst nur einen normalen Stereoeffekt geschaffen. Wenn Du nun die Parameter eines der beiden Hall-Plugins veränderst, bekommst Du links und rechts unterschiedlichen Klang. Fein.

Probier hierbei mal das Predelay unterschiedlich oder die Nachhallzeit deutlich unterscheidbar einzustellen. Hierbei ist es wichtig, viel zu experimentieren und sich seine eigenen Lieblings-Effekte zu erarbeiten. Diese können dann zu deinem eigenen, einzigartigen Klang beitragen.

 

Noch subtilere Hall-Effekte mit dem Delay

Soll es mal noch subtiler werden, dann kannst Du sogar gänzlich auf die Verwendung von Hall verzichten. Tiefe und Räumlichkeit lässt sich nämlich auch mit einem Delay erzeugen. Der Grund ist, dass ein Hall im Grunde nur aus unzählbar vielen kleinen Delays bestehen, die aufgrund ihrer Zahl und geringen Zeitdifferenz nicht mehr für das menschliche Ohr als eigenständig zu differenzieren sind.

Delay für sauberen Raumanteil verwenden

Delay für sauberen Raumanteil verwenden

Besonders gut funktionieren hierbei Delay-Plugins, die sich zum Songtempo synchronisieren. Ich selbst nutze meistens 5-6 Aux-Wege mit eigenen Delay-Effekten. Für die räumliche Tiefe kommen aber nur zwei zum Einsatz: Eines mit 1/8 Note Versatz und eines mit 1/4. Beide nutzen dabei je nach Song ein wirklich sehr kurzes Feedback, so dass nur ein, maximal zwei Echos zu hören sind. Diese mische ich dann auch sehr, sehr subtil hinzu.

Um einen Stereoeffekt hinzuzufügen, steuere ich die beiden Aux-Wege mit dem Send-Panning-Regler in meiner DAW teiweise zweifach aus der Instrumentenspur an. Das heisst, dass ich den Aux-Weg in zwei Sends (1/8 Delay) lade und dabei den ersten beispielsweise nur links, den zweiten nur rechts ansteuere. Das Delay mit der 1/4 Note nutze ich meistens eher für Gesangsspuren.

Eine zeitlang habe ich mich fast ausschliesslich auf diverse Delay-Effekte für die räumliche Ausrichtung beim Abmischen verlassen. Doch die Gefahr dabei ist, dass der Mix irgendwann einfach klinisch tiefenrein klingt. Also steril. Langweilig. In der Zwischenzeit nutze ich eine gesundere Mischung aus Reverb und Delay und mache mir, je nach Anforderung und Song, die Stärken der beiden Methoden zunutze.

 

Ausblick zum Hall in der modernen Musikproduktion

Das war die halbe Wahrheit. Es gibt natürlich noch weitere Möglichkeiten, für die notwendige Tiefe in einem Song zu sorgen. Diese werde ich zu einem späteren Zeitpunkt mal in einem weiteren Artikel nachreichen. Für den heutigen Pfingstsonntag müssen diese Anregungen zur Verwendung von Hall und Delay erst einmal ausreichen.

Mir ist wichtig zum Ende nochmals darauf hinzuweisen, dass die in diesem Artikel geschilderten Methoden nur ein erster Ansatz sein können. Es gibt kein eines Rezept, das immer und immer wieder bei jedem Song, jeder Musikrichtung und für jeden Geschmack zutrifft. Wenn ich sage, dass heutzutage wenig Hall verwendet wird, kann das bedeuten, dass in langsamen Balladen für intime Momente sogar ganz auf Hall verzichtet wird, während im Schlager wahrscheinlich noch immer Hallfahnen jenseits der 1,5 Sekunden eingesetzt werden.

Hat dir dieser Artikel gefallen? Konnten wir dir neue Impulse für deine Musikproduktion und deine Songs mitgeben? Schön. Vielleicht magst Du uns dann ja auch etwas aushelfen? Empfiehl uns deinen Freunden über Facebook, Twitter oder verlinke diesen Artikel in deinem Lieblingsforum. Vielen Dank!

Lesermeinungen (8)

zu 'Das Geheimnis subtiler Halleffekte in der modernen Musikproduktion'

  • kabelsalat   12. Jun 2011   14:25 UhrAntworten

    Hallo Carlos,
    hab Dank dafür, daß Du Dir Deinen Pfingssonntag mit Artikelschreiben vertreibst.
    Ich arbeite auch mit einer Mischung aus Hall und Delay, wobei ich Raum-Hall auf die Drums gebe, seitenverkehrtes Delay auf die Rhytmus-Klampfen und die Solo-Instrumente (Vocals, Gitarrensolo etc.) mit gleichgepanntem (schönes Wort) Delay versehe. Die Bassanteile bleiben bei mir in der Regel trocken.
    In einem zweiten Schritt versuche ich dann, den Schlagzeug-Raum per Send auf alle anderen Spuren zu bringen bis ein konsistenter Gesamteindruck entsteht.
    Aber stimmt schon, Hall ist ein echt Thema für sich - quasi ein Mix im Mix.

    Gruß kabelsalat

  • Delamar-Fan   12. Jun 2011   14:46 UhrAntworten

    Hallo Carlos

    Großen Dank mal wieder für deine Mühe und die Anregungen. Besonders spannend fand ich die Sache mit den beiden Mono-Hall-Bussen. Das muß ich unbedingt mal ausprobieren. Also wenn man davon keinen breiten Hall hinbekommt ... sehr coole Idee. Komisch, dass man da noch nicht selbst drauf gekommen ist. *grins*

    beste grüße

  • phunkateer   12. Jun 2011   20:45 UhrAntworten

    Super Artikel! In manchen modernen (elektro/house) produktionen wird durchaus wieder langer hall eingesetzt. Um das signal aber nicht zu sehr zu verschmieren, wird der hall geduckt. Für besondere effekte kann man den hall auch von der Lautstärke her automatisieren.

  • Ramon Smith   13. Jun 2011   09:48 UhrAntworten

    Yessa!

    Sauber der Carlos =D Und sowas Sonntags! Sehr schöner Artikel - Hab mich gestern noch damit beschäftigt! Deshalb empfehle ich einfach nurnoch delamar, wenn mich jemand etwas zur Musikproduktion fragt.
    Ich merke immer wieder, dass man seinen Musikstil kennen sollte. Denn eigentlich will man ja so klingen (auch wenn man anderes sein will) und das geht schon sehr gut, in dem man ähnliche Raumklänge verwendet.

    Zum Thema 80's gated Snarefahnen: Im modernen downtempo Metal [***core] ist das wieder total in. FETTE Snare in der Kathedrale und den Rest vom schlagzeug so trocken, dass es wehtut.
    Macht man das nach, klingt man direkt wie das Vorbild.

    Liebe Grüße

  • Marcel   13. Jun 2011   13:25 UhrAntworten

    Also ich halt mich mal kruz und knapp.
    Super Artikel Carlos.
    Gerade Hall und Co sind für mcih immer noch ein Thema mit dem Ich meist stark zu kämpfen habe. Weil entweder klingen meine Mixe zu verhallt oder fast schon zu trockien in meinen Ohren zumindest.

    So denn noch nen schönen Pfingstmontag

  • Tom   17. Jun 2011   13:37 UhrAntworten

    Find ich ein super artiekel :)

  • Wirgefueihl   06. Jul 2011   15:14 UhrAntworten

    Wirklich ein super Artikel! 1000 Dank für die guten Tipps und Anregungen.

    Ich habe mal gehört, dass es sehr wichtig ist, die Reverbzeiten an die BPM anzupassen... Weiß da jemand was drüber?

  • Paul   01. Feb 2012   21:55 UhrAntworten

    Hallo Carlos,

    Besten Dank für die wertvolle Infos!

    Auch das Expirementieren mit thrue stereo oder MS-Stereo
    mit Mono-maker zum Aufräumen im Bassbereich kann nützlich sein.

    MFG / Paul

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