Andreas Schneider im Interview (SUPERBOOTH)

Andreas Schneider im Interview

Im Interview: Andreas Schneider, hier in seinem Reich (»SchneidersLaden«) in Berlin abgelichtet

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Interview mit Andreas Schneider – (Modulare) Synthesizer & Co.

Andreas Schneider hat immense Erfahrung mit elektronischen Instrumenten aller Art. Nicht zuletzt im Bereich der modularen Systeme – zu diesem Thema steuerte er auch eine der ausführlichsten Antworten des Interviews bei.

Zudem geht es um kreative elektronische Klangerzeugung im Allgemeinen und mehr.

Dich erwarten einige erfrischend ungeschminkte Antworten, aber lies selbst …

Andreas Schneider – Interview – Teil I

delamar : Was ist so faszinierend an Synthesizern?

Andreas Schneider : Synthesizer sind doch Schnee von gestern, Kram aus den 80ern. Synthesizer ist im Volksmund ja auch schon ein E-Piano mit einer besseren Klangregelung oder ein Presetgerät mit Tastatur und ein paar Drehreglern.

Die Faszination für kreative elektronische Musikinstrumente – zu der natürlich auch sehr viele Synthesizer der Neuzeit gehören –, aus der sich der aktuelle Trend für die bei uns gezeigten Produkte abzeichnet, ist eher der Rückbesinnung auf einfache oder mindestens nachvollziehbare elektronische Musikinstrumente geschuldet, die immer wieder gern zum Synthesizer reduziert werden.

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Faszinierend hingegen ist die einfache Erkenntnis, dass der Klang aus einem kleinen Strom besteht und dieser tatsächlich klingt. Man kann den Strom hören, man kann ihn nachvollziehen und beliebig manipulieren. Es ist einfachste Physik, vielleicht bislang verhasste Mathematik, aber es macht plötzlich Spaß und Sinn. Altes Spielzeug von fischertechnik, Lego oder der Trafo der Modelleisenbahn mit einem Kabel und einem Oszillator verbunden wird plötzlich zur voll individuellen Performance, die wirklich nur einer hat. Es geht nicht mehr um Kaufen, sondern um Machen und es geht schon lange nicht mehr nur um die Musik.

Welche Trends zeichnen im Bereich der modularen Systeme ab?

Aktuell kommen große Firmen wie z.B. Roland und Moog oder Waldorf mit Modulen auf den Markt, die ihrerseits teilweise einfach das Ergebnis der deutlich höheren Nachfrage in unserem Fachbereich sind. Der Fachbereich, der mir immer wieder als Nische und Schnee von gestern angesagt wurde. Auch diverse kleine Firmen wollen eine komplette eigene Linie haben und bauen darum auch ein Case und ein Multiple und auch einen Mixer, den aber alle schon haben. Die Vorreiter, die jetzt schon seit fünf bis zehn Jahren dabei sind, versuchen sich entweder ihrerseits an neuen Konzepten und scheitern damit an der üblichen Preis-Dramatik in Konkurrenz mit den großen Nachahmern. Oder sie bleiben bei ihren klassischen Konzepten.

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Ich denke, in naher Zukunft haben wir eine Schwemme von Produkten, wo es schwer wird, zwischen mehr oder weniger sinnvollen Geräten zu unterscheiden. Dann geht es in der Masse natürlich erstmal um den Preis, weil ja auch alle ihre Bio-Äpfel bei Aldi kaufen. Meine Hoffnung für die wirklich innovativen Firmen und Vorreiter ist hierbei die Qualität. Wir sollten uns mehr damit auseinandersetzen, dass es auch einen Unterschied macht, dass ich auf einer Platine selber etwas löten und reparieren kann, wenn ich es denn könnte, und der Trend aus der digitalen Welt, alles kompakt und mobil zu haben, hier auch als kontraproduktiv gesehen werden kann.

Aktuell entdecken auch alle tastaturbedienenden Musikanten den Schaltschrank alias Modularsystem wieder als etwas für sich. Aber sie haben ja an den modernen Keyboards manchmal nur noch einen USB-Stecker, der in ihren Rechner führt, der daraus dann wieder MIDI intern macht, was sie dann mit einem zusätzlichen Interface wieder in eine normale MIDI-Buchse rückwandeln oder über teure neue Module direkt in Steuerspannungen ausgeben.

Andreas Schneider im Interview

Das ist viel im Überfluss, wenn ich an die vorgenannte Faszination denke. Glücklicherweise hat nach wie vor jedes banale Alleinunterhalter-Keyboard aus der Mülltonne einen MIDI-Ausgang, den ich mit einem Kabel für Zweifuffzich in das altmodische MIDI-CV Interface verbinde und alles läuft prima, nur mein Computer langweilt sich, aber … das ist nicht der Trend, nach dem Du gefragt hast. Sorry.

Welche Sets mit fertigen Modulkonfigurationen kannst Du für Einsteiger empfehlen?

Keine. Wenn man ein Klavier kauft, muss man auch ins Fachgeschäft und selbst das reicht oft nicht aus: Der eine entscheidet nach Holz, der andere nach Größe, der dritte will nur das von der hipsten Marke und nur der vierte entscheidet wirklich nach Klang. Es gibt unendlich viele Anwendungen und es ist ja kein Auto, was einfach nur fährt und blinkt.

Wenn man allerdings damit zufrieden ist? Ich empfehle gern Klassiker [Anm. d. Red.: Sets von Doepfer sind sicher nicht verkehrt, siehe Video unten]. Was heute noch existiert und das schon seit zwanzig Jahren tut, könnte in weiteren zwanzig Jahren immer noch funktionieren, und das wird immer seltener. Die durchgeknallten Extras kann man ja jederzeit dazustellen.

Welche nicht-modularen Synthesizer haben Dich in letzter Zeit begeistert?

Der Elements von Ken MacBeth. Das Faszinierendste ist, dass es ihn leider gar nicht wirklich gibt, der Hersteller kommt nicht aus dem Quark und wir warten gemeinsam mit allen Kunden schon seit rund zwei Jahren. Aber das ist sein gutes Recht. Er ist ein Einzeltäter und baut die Geräte, klassisch.

Was haben kleine Entwickler den großen Fischen voraus und umgekehrt?

Bis bei Roland eine Idee in die Tat umgesetzt wird, mussten viele Köpfe nicken und zwar alle nacheinander. Wenn ein kleiner Entwickler eine gute Idee hat, dann kann er sie morgen umsetzen. Der große Hersteller allerdings kann diese Umsetzung deutlich billiger realisieren, dann hat der sie fertig und der kleine Entwickler hat vielleicht zu seinem eigenen Vorteil schon eine neue?

Welches zusätzliche Equipment bietet sich an, um beim der Performance und Produktion alles aus den reinen Klangerzeugern herauszuholen?

Da fragst Du den Falschen. Ich bin kein Produzent, der auch aus Scheiße noch Rosinen machen können sollte. Eine gute Basis ist immer empfehlenswert, und dann kommt gegebenenfalls der Master und erledigt den Rest … aber das ist ja eher Handwerk denn die kreative Kunst.

Gibt es wirklich vielversprechende, robuste Eingabemethoden neben der Sequenzierung und dem Spiel auf einem MIDI-Keyboard?

Auf jeden Fall, schau dir mal den Hornberg-Blaswandler [Hornberg Research hb1 MIDI Breath Station] an, der wird unter anderem von ein paar ehemaligen Chaka-Khan-Typen vorgeführt, ein anderer benutzt den auch direkt mit den Modulen.

Dann kommt da ein neuer Hersteller mit einem hypersensiblen Controller namens Touche [gemeint ist der »E Touché«, der auch auf der SUPERBOOTH präsentiert wurde] und nicht zuletzt gibt’s ja eine Schwemme von Haken über LinnStrument bis Roli, wo auch die Tastenfraktion endlich von der 12-Tonskala befreit werden will.

Ist Open Sound Control tot und wie könnte MIDI über Multidimensional Polyphonic Expression hinaus weiterentwickelt werden?

Was ist Open Sound Control? Polyphonic Expression hast Du auf dem Haken, super Sache.

Was macht SchneidersLaden anders als die Synthesizer-Abteilungen von großen Musikhäusern?

Das ist der Unterschied von navs.modular.lab zur Bild-Zeitung oder zu Amazon.

Braucht Deutschland noch mehr Geschäfte wie SchneidersLaden?

Kann es nicht geben.

Welche Erkenntnisse hast Du für die Planung der nächsten SUPERBOOTH gewonnen und kannst Du schon verraten, was die Besucher nächstes Jahr erwartet?

Sorry, nein. Aber vielleicht ist ja nächstes Jahr auch Bürgerkrieg.

Andreas Schneider – Interview – Teil II [Update @ SUPERBOOTH19]

Andreas Schneider

Andreas Schneider hat uns noch fix vor der SUPERBOOTH drei Fragen beantwortet …

Gab es in den vergangenen Monaten für Dich bemerkenswerte neue Projekte, Gadgets oder Technologien für Synthese & Co.?

Die DIY-Szene erstarkt, was ich als Mensch sehr löblich finde, weil es den Bezug zur Materie vertieft und auch hoffentlich das Bewusstsein für die Qualität von Produkten schärft.

Für die Betrachtung von fertigen Produkten hatte ich wegen der Messe leider kaum Zeit. Kürzlich ging eine Begeisterungswelle von Mitarbeitern für ein neues Delay von CG alias Christian Günther um, allerdings konnte ich das noch nicht persönlich nachvollziehen.

Auf der letzten SUPERBOOTH gab es Workshops, Konzerte und Vorträge speziell von und/oder für weibliche Musikbegeisterte. Inwiefern spielt das Geschlecht eine Rolle in der Musik und warum ist eine Exklusivität wie bei den »synths4girls«-Workshops förderlich?

Viele Anwender der Geräte sind nicht mehr an dem Ergebnis sondern eher am Weg der Produktion interessiert und – da bin ich mir sicher – da sind Frauen in vielen Fällen näher am Ziel orientiert und schaffen mehr Musik, da sollten wir mal aufhorchen, ist das nicht Grund genug, ein paar Kanäle gezielt zu öffnen?

Willst Du nach Laden, Büro und SUPERBOOTH noch andere Spuren in der Kulturlandschaft für Ton durch Strom hinterlassen?

Ich habe den Eindruck, das war alles irgendwie dran und macht auch andere Leute froh, die mit oder neben mir davon profitieren. Leider steht zumindest beim Superbooth noch nicht alles so auf eigenen Beinen, dass ich einfach nach Hause gehen kann und das läuft schon, es gibt noch ein paar Baustellen, vielleicht noch ein paar Jahre Arbeit und ich finde, das sollte ich so lange weiter machen, bis ich auch hier so zufrieden bin, dass es ein wenig Bestand haben könnte.

Bei SchneidersLaden und der Vertriebsfirma habe ich diesen Zustand glaube ich erreicht, dafür bin ich auch meinen guten Mitarbeitern immer wieder sehr dankbar.

Video: SUPERBOOTH19 – Trailer mit Impressionen vom Vorjahr

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